10. März 2017
Robert Bosch Elektronik in Salzgitter
Qualifizierung für den digitalen Wandel
Am Anfang stand ein Entschluss: Niemand wird zurückgelassen, kein Kollege soll vom digitalen Wandel überrollt werden. „Wir wollten mit Weiterbildung und Qualifizierungsangeboten die Kollegen fit für die Zukunft machen“, sagt Achim Brandt, von Robert Bosch Elektronik in Salzgitter. Das ist gelungen.

Bereits seit 2010 gibt es bei Bosch in Salzgitter eine Betriebsvereinbarung, die die systematische Qualifizierung der Beschäftigten regelt. Mit ihr wird sichergestellt, dass Weiterbildung nicht zufällig verteilt wird. Jeder Beschäftigter am Standort hat das Recht auf Qualifizierung, auf einen individuell zugeschnittenen Qualifizierungsplan. Dieser ergibt sich aus der Analyse einerseits der Fähigkeiten und Fertigkeiten des einzelnen Beschäftigten und andererseits aus der internen Bedarfserhebung, also einer Ermittlung zukünftig notwendiger Qualifikationen für bestimmte Tätigkeiten.

„Wir müssen wissen, was der einzelne Beschäftigte kann, wo er steht und wir müssen wissen, welche Qualifikationen wir zukünftig brauchen“, sagt Achim Brandt, „erst dann können wir passgenaue Qualifizierung anbieten“.


Eine Woche zum Einlernen – damals

Das ist dringend nötig, denn die Arbeit hat sich für die rund 1500 Beschäftigten am Standort in den vergangenen Jahren radikal verändert. In Salzgitter werden elektronische Steuergeräte produziert, Einspritzsysteme für die Autoindustrie, dazu werden Leiterplatten bestückt.

Diese Arbeit wurde bis Ende der Achtziger Jahre hauptsächlich von An- und Ungelernten erledigt, damals, daran erinnert sich Achim Brandt, standen Kolleginnen und Kollegen nebeneinander am Band und steckten elektronische Bauteile von Hand im Einzelakkord in die Leiterplatten – alles, was sie brauchten, um die Arbeit auszuführen, war eine einwöchige Einweisung und Fingerfertigkeit. Dann konnte es losgehen.


Neue Aufgaben, neue Anforderungen

Lange vorbei diese Zeiten. Im Laufe der Jahre wurde die Produktion immer umfassender automatisiert, die aufgestellten Maschinen immer besser, schneller, fehlerfreier darin, die immer kleiner, komplexer werdenden Platinen zu bestücken – die händische Arbeit der An- und Ungelernten wurde damit mehr und mehr an den Rand gedrängt, zunehmend überflüssig. Dafür entstanden ganz neue Aufgaben, ganz neue Tätigkeitsprofile in der Produktion.

Vor allem Service-Kräfte sowie Maschinen- und Anlagenführer waren und sind jetzt gesucht, Menschen, die die Maschinen einrichten, einstellen, in Betrieb nehmen, ihr Programme aufspielen, sie warten und – wenn es darauf ankommt – Störungen beseitigen. Um das zu leisten braucht es spezielle Kenntnisse, spezielle Fertigkeiten. „Ohne eine gute Qualifizierung und Weiterentwicklung der Beschäftigten geht das nicht“, sagt Achim Brandt.


Qualifizierungsbedarf ermitteln

Allerdings: Sinn und Zweck der Betriebsvereinbarung bei Bosch ist nun gerade nicht, dass jeder Beschäftigte ohne Rücksicht auf seine individuellen Fähigkeiten quasi blind auf eine neue Stelle, hin zu einer neuen Tätigkeit qualifiziert wird. „Es geht gleichermaßen um Aufbau, Erhalt und Weiterentwicklung der für die jeweilige Tätigkeit erforderlichen Kompetenzen“, sagt Achim Brandt, „die angebotene Qualifizierung soll den Kollegen auf seinem individuellen Weg unterstützen, ihn aber nicht in eine Form pressen.“

Damit das gelingt, gibt es in allen Abteilungen Koordinatoren, die sich um die Weiterbildung der Kolleginnen und Kollegen kümmern. Zu Beginn jeden Jahres führt jeder Beschäftigter mit seiner Führungskraft ein Qualifikationsgespräch – in diesem wird der jeweilige individuelle Qualifizierungsbedarf ermittelt. Für den einen Kollegen ist eine Erhaltungs-, für den anderen eine Entwicklungsqualifizierung vordringlich. Und bei dem nächsten stellt sich womöglich die Frage nach einer geeigneten Umqualifizierung, weil seine bisherigen Arbeitstätigkeiten zukünftig wegfallen werden.


Individuell angepasste Maßnahmen

Die Dauer der Qualifizierung hängt von der jeweiligen Maßnahme ab, manchmal können es zwei Tage sein, manchmal kann es eine Woche dauern. Die Kosten der Qualifizierung trägt der Arbeitgeber, es besteht die Möglichkeit, dass der Beschäftigte einen Teil seines Zeitguthabens mit investiert.

Und ganz wichtig: Bei der Konzipierung der Maßnahme werden der Bildungsstand und die Besonderheiten der jeweiligen Zielgruppe berücksichtigt und didaktisch jeweils unterschiedlich aufbereitet. „So gelingt es, die Kolleginnen und Kollegen zu erreichen, sie individuell zu qualifizieren“, sagt Achim Brandt. „Wir werden diesen Weg weitergehen. Gerade in Zeiten von Industrie 4.0 ist Qualifizierung elementar wichtig.“


Sozialstaat 4.0: Interview mit Jörg Hofmann Sozialstaatskongress der IG Metall: Worum es geht Zukunft des Sozialstaats: Interview mit Jutta Allmendinger


Zukunft der Arbeit - Bildung und Qualifizierung

    Neu auf igmetall.de

    Link zum Artikel