Wer heute in Rente geht, erhält im Durchschnitt weniger als die Hälfte seines Einkommens. Konkret sind es zurzeit 47 Prozent. Nur wer auf eine kontinuierliche Erwerbsbiographie zurückblicken kann – also seine Berufstätigkeit nicht wegen Arbeitslosigkeit, Krankheit oder familiärer Verpflichtungen unterbrechen musste – hat diese Rentenansprüche erworben. Aber viele andere müssen mit weniger auskommen.
Die Rentenpolitik der Bundesregierung verfolgt seit der Reform von 2001 nicht mehr das Ziel, den Lebensstandard zu sichern. Stattdessen geht es darum, die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung stabil zu halten. Davon profitieren in erster Linie die Arbeitgeber. Die Beschäftigten hingegen sollen die niedrigeren Leistungen der gesetzlichen Rente durch private Vorsorge ausgleichen. Diese Kosten müssen die Arbeitnehmer aber weitestgehend allein tragen.
„Die Schere zwischen Einkommen und Renten öffnet sich immer weiter. Dadurch drohen der Verlust des Lebensstandards und Armut im Alter zu einem Massenphänomen zu werden. Wenn der Sinkflug des Rentenniveaus nicht endlich gestoppt und umgekehrt wird, verliert die gesetzliche Rente den Rest an Akzeptanz in der Bevölkerung. Das muss verhindert werden“, fordert Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.
Diese Entwicklung verunsichert die Menschen. Mehr als 40 Prozent der Beschäftigten glauben, dass die gesetzliche Rente im Alter nicht ausreichen wird. Das ist das Ergebnis der großen Beschäftigtenbefragung der IG Metall von 2013, an der sich über eine halbe Million Menschen beteiligt haben. Weiteres Ergebnis der Befragung: Eine deutliche Mehrheit sieht sich nicht oder nicht ausreichend in der Lage, die drohende Versorgungslücke durch private Eigenvorsorge zu schließen. Ihnen fehlen einfach die finanziellen Mittel.
Wer 45 Jahre lang Durchschnittsverdiener war, erhält beim aktuellen Rentenniveau von 47 Prozent 1 314 Euro Rente. Hätten wir heute noch das Niveau aus dem Jahr 2000 (53 Prozent) läge die monatliche Rente bei 1 475 Euro. Doch die Talfahrt soll weitergehen: Geplant ist, dass das Rentenniveau 2030 bis auf 43 Prozent fällt. Wäre das bereits heute der Fall, dann bekäme ein Durchschnittsverdiener nur noch eine Rente von 1 199 Euro.
Die IG Metall fordert eine Neuausrichtung in der Rentenpolitik: Das Rentenniveau darf nicht weiter abgesenkt werden, sondern muss schrittweise wieder angehoben werden. Nach der Rente ab 63 sind weitere Reformen notwendig, damit auch die junge Generation im Alter gut abgesichert ist. Dazu sollte die Rentenversicherung eine Demografie-Reserve aufbauen. Derzeit verfügt die Rentenkasse noch über hohe Rücklagen und der Beitragssatz ist vergleichsweise niedrig. Gleichzeitig sind demografiebedingt zurzeit noch viele Menschen erwerbstätig, die in den kommenden Jahren in Rente gehen. Durch einen alternativen Beitragssatzverlauf sollten daher heute ausreichend Rücklagen aufgebaut werden, mit denen ein besseres Rentenniveau angfristig finanziert werden kann.
Die gesetzliche Rentenversicherung sollte zudem zu einer Erwerbstätigenversicherung weiterentwickelt werden, in die alle Beschäftigten einzahlen – also beispielsweise auch freiberufliche Anwälte oder Ärzte sowie Beamte. Mit diesen Maßnahmen kann das Rentenniveau stabilisiert und anschließend wieder angehoben werden. Davon profitieren sowohl die Rentner von heute als auch die nachfolgenden Generationen, wenn diese in der Zukunft in ihren verdienten Ruhestand wechseln.