Die Vorschläge der Mehrheit der Wirtschaftsweisen sind jenseits der Lebensrealität der allermeisten Beschäftigten. Schon heute ist die Arbeitswirklichkeit in den Betrieben so, dass viele kaum bis zur jetzigen Rentengrenze durchhalten. Eine Rente mit 68 ignoriert die Bedingungen in den Betrieben und am Arbeitsmarkt. Die Folge wäre: Die Menschen würden zum vorzeitigen Renteneintritt gezwungen – mit Abschlägen, also Rentenkürzungen. Wer das will, provoziert unseren Widerstand.
Es bedeutet, dass Rentnerinnen und Rentner von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt werden. Sprich: Sie werden im Vergleich zum Rest der Bevölkerung ärmer. Das ist sozialer Sprengstoff. Das Perfide daran: Die Wirtschaftsweisen behaupten, das Ganze sei notwendig im Interesse der jungen Beschäftigten. Doch was nützt denen eine zusammengeschrumpfte Rentenversicherung, die für die meisten nur noch eine Art Grundrente wäre?
Den Menschen durch obskure Aktienmodelle mehr privates Risiko aufzubürden – das ist keine Antwort auf die Herausforderungen der gesetzlichen Rente. Wir brauchen endlich den Umbau der gesetzlichen Rente zur Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen. Niemand kommt an einem soliden und gerecht finanzierten Beitragssatz vorbei. Und die demografische Herausforderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die über Steuermittel abgefedert werden muss.
Hans-Jürgen Urban ist im IG Metall-Vorstand für Sozialpolitik zuständig.
Dieser Ansatz trifft die Mitte der Gesellschaft, Menschen mit einem Jahresbrutto von rund 43.000 Euro. Der Wirtschaftsweise Truger – der selbst den Vorschlägen seiner Kollegen widerspricht – weist zu Recht darauf hin, dass wir hier über ein Netto von 2620 Euro pro Monat bei Steuerklasse 1 reden. Wir reden hier nicht über die wirklich Reichen. Von denen zahlen ja ohnehin viele nicht in die Rente ein. Die genannten Betroffenen sollen für ihre Beiträge nur noch einen halben Rentenpunkt erhalten.
Wer die Rentenansprüche von Facharbeiterinnen und Facharbeitern anknabbern will, verabschiedet sich endgültig von der Lebensstandardsicherung im Alter und gefährdet die Akzeptanz des ganzen Systems. Am Ende geht es um eine Grundsatzfrage: Soll die Rente nur noch eine Mindestsicherung sein? Oder verteidigen wir das Ziel, den Lebensstandard der Menschen zu sichern? Die IG Metall steht eindeutig für die zweite Möglichkeit!