Im Jahr 2007 hat der Gesetzgeber mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz beschlossen, ab 2012 das Renteneintrittsalter schrittweise anzuheben. Die Anhebung gilt nicht nur für die Altersrente, sondern grundsätzlich auch für alle anderen Rentenarten. Sie erfolgt vom Jahr 2012 an jährlich um einen Monat und ab dem Jahr 2024 in zweimonatlich, so dass die „Rentenaltersgrenze 67“ im Jahr 2029 voll wirksam wird. Betroffen sind somit diejenigen, die ab dem Jahr 2012 in die Rente gehen. Eine Ausnahme gilt für Beschäftigte, die 45 Arbeitsjahre aufweisen können. Sie können auch nach 2012 mit 65 ohne Abschläge in Rente gehen
Warum soll das Rentenalter angehoben werden?
Hauptargument der Befürworter der Rente mit 67 ist die demographische Entwicklung in Deutschland: Künftig müssten immer weniger jüngere Berufstätige immer mehr, immer älter werdende Rentner finanzieren. Das führe zu sinkenden Einnahmen bei gleichzeitig steigenden Ausgaben. Doch diese isolierte Betrachtung des demographischen Wandels greift bei einem Komplexen Thema wie der Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu kurz. Zahlreiche weitere Faktoren spielen eine wichtige Rolle:
- Die Realität in den Unternehmen: Wie hoch ist die Erwerbsquote älterer Beschäftigter?
- Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Gehen Jobs verloren, wenn jeder länger arbeitet?
- Folgen für Berufsanfänger: Wie vielen jungen Menschen bleibt der Berufseinstieg wegen der Rente mit 67 verwehrt?
- Mögliche Alternativen: Könnten höhere Löhne und weniger prekäre Beschäftigung die Rentenkasse nicht ebenfalls entlasten?
Wie sieht die Realität auf dem Arbeitsmarkt aus?
Ein Blick auf die Beschäftigungssituation derer, die kurz vor der heutigen Regelaltersgrenze von 65 Jahren stehen, zeigt: Kaum einer von den 64-Jährigen ist noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In 2008 lag ihr Anteil bei 9,9 Prozent. Noch seltener sind Menschen dieser Altersgruppe in einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitstelle. Zudem gelten auch Beschäftigte in Altersteilzeit als sozialversicherungspflichtig beschäftigt, auch wenn sie bereits in der Ruhephase sind. Würde man ihren Anteil herausrechnen, fiele die Kurve der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten noch stärker ab.
Was spricht gegen die Rente mit 67?
- Beschäftigungspolitisch ist sie fatal. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) hat bereits im Jahr 2006 ausgerechnet, dass je nach Reaktionsweise der Betroffenen, zwischen ein, zwei und über drei Millionen Jobs geschaffen werden müssten, um ihre negative Beschäftigungswirkung auszugleichen.
- In gesundheitspolitischer Hinsicht geht sie in eine völlig falsche Richtung: Bereits heute glaubt nur jeder Zweite, dass er bis zum Rentenalter arbeiten kann.
- Auch unter sozialpolitischen Gesichtspunkten fällt sie durch: Wer im Jahr 2029 oder später zu gleichen Bedingungen wie heute in den Ruhestand geht, muss zumeist zusätzliche versicherungstechnische Abschläge hinnehmen. Dies sind im Regelfall 7,2 Prozent. Da das Rentenniveau insgesamt drastisch gesenkt wird, heißt dies für viele Menschen einfach nur noch Altersarmut. Düsterer sieht die Perspektive künftiger Rentengenerationen aus: Nach Studien des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) arbeitet ein immer größerer Teil der Menschen im Niedriglohnsektor. Bereits 2007 – also noch vor der Krise – waren es über sechseinhalb Millionen Menschen. Ihr durchschnittlicher Stundenlohn betrug in Westdeutschland 6,88 Euro und in Ostdeutschland lediglich 5,60 Euro – Tendenz hier wie dort eher fallend. Angesichts solch geringer Einkommen droht auch ohne Rente mit 67 Altersarmut.
- In wirtschaftspolitischer Hinsicht ist sie völlig kontraproduktiv. Rente mit 67 und die übrigen Kürzungen der Renten zwingen immer mehr Menschen, zusätzliche kapitalgedeckte Vorsorge zu betreiben. Da eine solche Politik nicht nur in Deutschland stattfindet, vagabundieren Billionen Euro auf den internationalen Kapitalmärkten und verlangen nach einer entsprechenden Rendite. Wenn diese Rendite nicht mehr bedient werden kann, wird Kapital in großem Umfang vernichtet. Fazit: Zur Finanzmarktkrise hat die Teilprivatisierung der Alterssicherung – und nichts anderes sind Rente mit 67 und Kürzung des Rentenniveaus – einen wesentlichen Beitrag geleistet.
Welche Position vertritt die IG Metall?
Wer sich mit den Bedürfnissen der Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt, muss die Rente mit 67 ablehnen und sich für Alternativen einsetzen. Das tut auch die IG Metall. Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, lehnt die Rente mit 67 im Hinblick auf prekäre Beschäftigung weiterhin ab: „Wir bleiben bei dem Nein zur Rente mit 67. Auch deshalb, weil der Arbeitsmarkt der Schlüssel für sichere und bezahlbare Renten ist. Wer aber zulässt, dass über massenhafte Leiharbeit und massives Lohndumping den Rentenkassen Milliarden Einnahmen entzogen werden, der sollte nicht die Rentner dafür finanziell bluten lassen, sondern vielmehr den Arbeitsmarkt in Ordnung bringen.“
Wie sehen die Alternativen aus?
Die Rente mit 67 ist ein Irrweg, der zu einer Kürzung der Renten und in die Altersarmut führt. Deswegen hat die IG Metall ein Memorandum zur Alterssicherung verfasst. Darin fordert sie:
- Ein solidarische Erwerbstätigenversicherung für alle: Schrittweise sollten auch Apotheker, Ärzte und Rechtsanwälte ebenso wie Parlamentarier oder auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden.
- Die Verbesserung des Leistungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung: Die Alterssicherung muss den Lebensstandard der Menschen im Alter sichern und Armut vermeiden.
- Betriebsrenten für alle: Arbeitgeber müssen verpflichtet werden, jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin ein Angebot für eine Betriebsrente zu machen.
- Flexible Altersübergänge: Nein zur Rente mit 67. Wir brauchen statt dessen einen flexiblen Ausstieg aus dem Arbeitsleben und zwar auch vor dem 65. Lebensjahr.
- Einen guten Lohn für eine gute Rente: Das beste Rentensystem wird nicht ausreichen, einen angemessenen Lebensstandard im Alter zu sichern, wenn immer mehr Menschen zu Niedriglöhnen arbeiten oder nur geringfügig beschäftigt sind. Wer sein Leben lang Armutslöhne bezieht, wird auch im besten Rentensystem kein auskömmliches Einkommen im Alter haben. Darum fordert die IG Metall flächendeckende Mindestlöhne sowie eine verteilungspolitische Wende insgesamt.