Hans-Jürgen Urban: Wenn langjährige Erwerbsarbeit nicht reicht, um im Alter den Gang zum Sozialamt zu vermeiden, dann ist etwas faul auf dem Arbeitsmarkt und im Rentensystem. Die Grundrente ist ein Beitrag, mit dem die Lebensleistung jahrzehntelanger Arbeit anerkannt und Altersarmut eingedämmt wird. In der Bevölkerung stößt der Vorschlag daher auch auf eine breite Zustimmung. Bei einer von der IG Metall in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage sprechen sich 81 Prozent der Befragten für die Grundrente aus.
Dr. Hans-Jürgen Urban ist seit November 2007 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Der promovierte Sozialwissenschaftler ist bei der IG Metall zuständig für die Themen Sozialpolitik sowie Arbeitsgestaltung und Qualifizierungspolitik. (Foto: IG Metall)
Anders als von Kritikern häufig behauptet, profitieren keineswegs die Falschen. Es profitieren Menschen, die es sich durch ihre erbrachten Leistungen im Erwerbsleben verdient haben. Nach Angaben der Bundesregierung wären etwa drei Millionen Menschen anspruchsberechtigt. Davon sind 80 Prozent Frauen. Die überwältigende Mehrzahl der Anspruchsberechtigten lebt in Haushalten mit niedrigem Einkommen. Insgesamt profitieren also überwiegend diejenigen, die auf die Grundrente auch angewiesen sind.
Auch die jüngere Generation würde in Zukunft von der Reform profitieren. Wer heute unterdurchschnittlich verdient, aber über viele Jahre in die Rentenkasse einzahlt, wird im Alter ebenfalls in den Genuss einer Aufstockung kommen. Die Grundrente ist ein Beitrag zur Leistungsgerechtigkeit der gesetzlichen Rente. Davon profitieren Jung und Alt.
Es ist schon verwunderlich, wenn Neoliberale das Thema soziale Gerechtigkeit für sich entdecken und ausgerechnet die Grundrente ungerecht nennen. Ich nenne es ungerecht, wenn Beschäftigte nach 35 Beitragsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung im Alter nicht mehr haben als die Grundsicherung, die auch ohne eigene Beiträge gewährt wird. Wenn Arbeitgeber die angeblich zu hohen Kosten für die Grundrente kritisieren, vergessen sie dabei, dass sie selbst in der Verantwortung stehen: Wer faire Löhne zahlt, die im Alter für eine auskömmliche Rente reichen, senkt damit auch die Kosten, die bei der Grundrente durch die Anhebung zu niedriger Renten entstehen. Niedriglöhne sind noch immer die Hauptursache für geringe Renten und Altersarmut.
Die Position der IG Metall ist an dieser Stelle eindeutig: Die Finanzierung der Grundrente ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die von allen Mitgliedern der Solidargemeinschaft und nicht nur von den Beitragszahlern der gesetzlichen Rentenversicherung übernommen werden muss. Die Grundrente sollte daher möglichst vollständig aus Steuermitteln finanziert werden. Der jetzige Finanzierungsvorschlag, der eine anteilige Steuerfinanzierung von zunächst 50 Prozent vorsieht, die bis 2025 auf 70 Prozent steigen soll, ist an dieser Stelle also durchaus verbesserungsbedürftig. Wir werden uns auch weiterhin für eine vollständige Finanzierung aus Steuermitteln einsetzen.
Die Grundrente ist ein erster wichtiger Baustein bei der Bekämpfung von Altersarmut und der Stärkung der Leistungsgerechtigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung. Was wir aber darüber hinaus brauchen, ist eine grundlegende Neuausrichtung der Rentenpolitik. Auskömmliche Renten müssen wieder das entscheidende Sicherungsziel werden und nicht möglichst niedrige Beiträge. Hierzu bedarf es einer deutlichen Anhebung des Rentenniveaus und der Einführung einer Erwerbstätigenversicherung, in der alle Berufsgruppen gemeinsam versichert sind. Wir brauchen außerdem Verbesserungen bei den Zugangskriterien zur Erwerbsminderungsrente, die an die realen Bedingungen des Arbeitsmarktes angepasst werden müssen. Allen Versuchen, das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen, erteilen wir eine klare Absage.
„Grundrente jetzt! Lebensleistung verdient Respekt“ – hier geht’s zur Petition des DGB