6. November 2013
Kürzungen beim Rentenbeitrag – Ja oder Nein
Renten solidarisch finanzieren
Die Rentenkasse ist voll. Trotzdem soll der Rentenbeitrag nicht weiter sinken. So wollen es Union und SPD. Auch die IG Metall ist dagegen. Warum, darüber sprachen wir mit Hans-Jügen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und Sozialexperte.

Bis Ende des Jahres werden die Rücklagen in den Rentenkassen bis auf 31 Milliarden Euro angewachsen sein. Das bedeutet: Der Beitragssatz müsste Anfang nächsten Jahres von 18,9 auf 18,3 Prozent sinken – so sieht es das Gesetz vor und das würde auch die Arbeitnehmer entlasten. Trotzdem ist die IG Metall gegen eine Senkung des Rentenbeitrags. Warum, das erklärt Hans-Jürgen Urban im Interview.

Politik, Verbände und Medien streiten über Beitragssenkungen. Die Rentenkasse ist gut gefüllt. Laut Gesetz müsste der Beitragssatz Anfang 2014 sinken. Wäre das der richtige Weg?

Hans-Jürgen Urban: Weitere Beitragssatzsenkungen sind der falsche Weg. Damit wird die letzte Chance verspielt, endlich dringende Reformen und Verbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung zu realisieren. Auskömmliche Renten, die im Alter den Lebensstandard sichern und vor Armut schützen, sind eben nicht zum Nulltarif zu haben. Das gilt auch für flexible Übergänge aus der Arbeit und den Ruhestand.

Aber eine Senkung des Beitrages nützt doch auch den Beschäftigten?

In der Tat scheint eine Senkung der Rentenbeiträge auf den ersten Blick verlockend zu sein. Aber letztlich würden von den sinkenden Beiträgen nur die Arbeitgeber profitieren. Die Arbeitnehmer wären gezwungen, die zu erwartenden Einbußen durch Zahlungen in die private Vorsorge auszugleichen. Das ist riskant und zudem ungerecht, weil sich die Arbeitgeber – anders als bei den gesetzlichen Rentenbeiträgen – an den privaten nicht zur Hälfte beteiligen müssen.

Die voraussichtlichen Regierungsparteien verhandeln auch über weitere Anpassungen bei der Altersvorsorge. Wie sähe eine Rentenreform à la IG Metall aus?

Eine solidarische Reformpolitik – wie ich sie mir vorstelle – muss sich innerhalb eines rentenpolitischen Zieldreiecks bewegen. Erstens brauchen wir eine gesetzliche Rente, die vor Armut schützt und den Lebensstandard weitgehend sichert. Dazu müssen etwa niedrigere Rentenbeiträge aufgewertet und vor allem das Rentenniveau zumindest stabilisiert werden. Zweitens: Statt der Einheitsrente mit 67 brauchen wir flexible Wahlmöglichkeiten beim Altersausstieg. Diejenigen, die am Ende eines langen Erwerbslebens nicht mehr können oder wollen, müssen zu fairen Bedingungen ausscheiden können. Wichtige Maßnahmen wäre ein erleichterter Rentenzugang für Erwerbsgeminderte, eine neue Altersteilzeit und abschlagsfreier Ausstieg für Versicherte mit langer Erwerbsbiografie. Wer lange Jahre hart gearbeitet hat, der sollte auch ohne Abschläge in Rente gehen können.

Wie lässt sich sicherstellen, dass die Rentengeschenke von heute nicht letztendlich von der Jungen Generation bezahlt werden müssen?

Gute Renten müssen auch solidarisch finanziert werden. Wir sollten eine Demographie-Reserve in der Rentenkasse anlegen, um auch der Baby-Boomer-Generation auskömmlichen Renten zu ermöglichen. Und wir brauchen eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen. Das stärkt das Solidarsystem und erweitert die finanziellen Spielräume der Rentenversicherung.


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