24. Oktober 2016
Sozialstaatskongress der IG Metall
Sozialstaat der Zukunft: Was Beschäftigte erwarten
Die IG Metall will auf ihrem Sozialstaatskongress diskutieren, was Tarifpartner und Politik tun müssen, damit der Sozialstaat mit den Herausforderungen der neuen Arbeitswelt Schritt hält.

Was Beschäftigte brauchen, um Arbeit und Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten, erzählen hier sieben von ihnen.

 

Christian Reitter, 52 Jahre,
Entwicklungsingenieur, Daimler, Stuttgart.

„Es ist sicher nicht nur für körperlich hart Arbeitende schwierig, bis 67 gleichbleibende Leistung zu erbringen. Meine Arbeit ist durch ein ständiges Lernen geprägt. Der Gedanke, mit 60 beimständigen Wechsel von Betriebssystemen, Hardware, Anwendungsprogrammen, Prozessen oder Umstrukturierungen und Arbeitsverdichtungen die gleiche hohe Leistungsfähigkeit zeigen zumüssen, beunruhigt mich. Wie unterstützen Unternehmen alternsgerechtes Lernen? Das wäre ein Zukunftsthema für die IG Metall.“

 

Karin Kneer, 64, Crowdworkerin, Schalksmühle.

„Seit zwei Jahren arbeite ich als Crowdworkerin online von zu Hause aus. Meinen Arbeitstag muss ich strukturieren wie bei einem traditionellen Job. Ich kategorisiere für Onlineshops Produkte, aktualisiere Daten, recherchiere Webseiten. Obwohl ich gut eingearbeitet bin, habe ich den Mindestlohn noch nie erreicht. Meine Tätigkeit wird als selbstständige Arbeit angesehen, für mich aber ist es abhängige Beschäftigung. Die Rechte derjenigen, die wie ich auf Plattformen arbeiten, müssen gestärkt werden. Dazu braucht es Gewerkschaften.“

 

Carina Fischer, 28, Technikerin, ZF, Schweinfurt

„Vor der Geburt meiner Tochter habe ich in der Frühschicht in der Fertigungssteuerung gearbeitet, jeden Tag von 6 bis 14 Uhr. Mit Kind konnte und wollte ich das nicht. Kein Kindergarten macht so früh auf. Aber in meiner Abteilung hieß es nur: entweder so oder gar nicht. Ich habe mich schon während der Schwangerschaft um eine andere Stelle gekümmert, musste meine Elternzeit aber unfreiwillig verlängern, weil es nichts Passendes gab. Ich bin jetzt im Vertrieb und es passt alles. Aber generell könnte mehr Beweglichkeit im Kopf manches leichter machen.“

 

Svenja Knoll, 27, Medienwissenschaftlerin, Audi, Neckarsulm

„Mobile Arbeit macht mir vieles leichter. Manche Aufgaben erledige ich lieber zu Hause. Da habe ich mehr Ruhe und kann zum Beispiel meine Artikel viel schneller schreiben oder redigieren. Für einen Arzttermin muss ich mir außerdem nicht freinehmen, sondern kann meine Arbeit um den Termin herumverteilen. So kann ich meine Zeit flexibel einteilen und meine Arbeit nach meinen Ansprüchen optimal erfüllen, ohne einen Teil in meiner Freizeit machen zu müssen.“

 

Alena Tumanov, 27, bisher Schichtarbeiterin bei ZF Friedrichshafen, Diepholz, seit Oktober Studentin

„Ich sehe, wie wenig Rente schon meine Großeltern und Eltern bekommen. Wenn ich darüber nachdenke, was ich einmal zu erwarten habe, wenn das Rentenniveau weiter sinkt, mache ich mir große Sorgen. Ich wäre bereit, höhere Beiträge für eine bessere Rente zu zahlen. Denn die gesetzliche Rente ist doch allemal sicherer und zuverlässiger als private Altersvorsorge.

 

Calvin Friedmann, 23, Elektroniker bei Pepperl Fuchs, jetzt im Studium

„Schon in der Ausbildung wusste ich, dass ich weitermachen und als Entwickler arbeiten will. Ich studiere seit einem Jahr Technische Informatik. Mein Arbeitgeber wollte, dass ich zum Studieren kündige. Doch Betriebsrat und Jugend- und Auszubildendenvertretung haben erreicht, dass ich gemäß Tarifvertrag der IG Metall fünf Jahre in Bildungsteilzeit gehen konnte, mit Wiedereinstellzusage.“

 

Katrin Hoffmann, 33, Business-Analystin, Gothaer Systems, Köln.

„Meine Tochter ist fünf Monate alt, ich war drei Monate daheim, seitdem arbeite ich Teilzeit, zwei Tage pro Woche. An diesen Tagen ist meine Schwiegermutter da. Ich bin froh, dass der Einstieg geklappt hat, aber es kostet Kraft, vor allem, wenn eine meiner beiden Töchter krank ist. Dann möchte ich daheim arbeiten. Das geht ab und an, aber ichmuss immer wieder neu fragen. Ich finde, es sollte ein prinzipielles Recht auf Homeoffice geben.“


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