27. März 2019
Nationale Plattform Mobilität
Wie schaffen wir die klimafreundliche Verkehrswende?
Dazu hat eine Expertengruppe der Bundesregierung Vorschläge präsentiert. Konkrete Maßnahmen sind darin hinterlegt. Doch die eigentliche Arbeit geht jetzt erst los.

Frank Iwer, Automobilexperte beim IG Metall-Vorstand, begrüßt, dass jetzt endlich die Voraussetzungen für den Hochlauf der Elektromobilität auf die Tagesordnung gebracht werden und die Umsetzung mit konkreten Maßnahmen hinterlegt wird. Das hat die Nationale Plattform Mobilität (NPM) am Dienstag in einem Zwischenbericht gefordert. „Mit der Empfehlung, die Umsetzungsschritte schrittweise zu überprüfen und nötigenfalls auch nachzusteuern, befindet sich die NPM auf dem richtigen Weg“, sagte Iwer am Mittwoch. „Dennoch sind Unsicherheiten hoch, die finanziellen und technischen Voraussetzungen sind noch nicht geklärt, ebenso wenig die Folgewirkungen für Beschäftigung oder die Industriestandorte.“

Im Grundsatz sind die Ziele des Klimaschutzplans für 2030 erreichbar, darin sind sich die Experten der NPM einig. Aber die Anstrengungen, die unternommen werden müssen, um bis zum Ende des kommenden Jahrzehnts den CO2-Ausstoß von derzeit 170 Millionen Tonnen auf künftig 95 bis 98 Millionen Tonnen zu senken, sind enorm.


Milliardeninvestitionen nötig

Den größten Hebel bietet die Antriebstechnik mit der Elektrifizierung des Automobils und der Verbesserung der Effizienz von Verbrennerantrieben bei PKW und LKW. Allein dadurch ließe sich der CO2-Ausstoß auf rund 130 Millionen Tonnen reduzieren. Voraussetzung dafür ist, dass bis 2030 zwischen acht und zehn Millionen Pkw elektrisch angetrieben werden.

Für die Unternehmen bedeutet das: Sie müssen Milliardeninvestitionen tätigen. Nicht nur in neue Techniken wie Batteriesysteme, Leistungselektronik oder neue Fahrzeugkonzepte, gleichermaßen wichtig ist die Qualifikation der Beschäftigten und der Umbau der Fertigungsstandorte. Ebenso in der Pflicht ist der Staat. Er muss dafür sorgen, dass die öffentliche Ladeinfrastruktur schnell und systematisch ausgebaut wird. Auch dafür sind hohe Investitionen nötig.

Elektromobilität muss mit öffentlichen Maßnahmen attraktiv gemacht werden. Dazu zählen Anreize für Kauf und Nutzung von Elektroautomobilen, die preisliche Privilegierung des Fahrstroms und regulatorische Änderungen, zum Beispiel beim Baurecht, bei der Nutzung von Busspuren oder einem besseren Parkraummanagement.

Der zweite große Hebel, um die CO2-Emissionen zu senken, ist die Verlagerung der Mobilität auf andere Verkehrsträger. Dazu gehören der Ausbau des ÖPNV, der Radwegenetze oder gemeinsame Shuttle-Systeme mit größeren Unternehmen. Auch das ist mit hohen öffentlichen Investitionen verbunden. Hinzu kommen Beiträge aus dem Einsatz klimaneutraler Kraftstoffe und aus der Digitalisierung zum Beispiel der Verkehrssteuerung oder von Mobilitätsdienstleistungen.


Gesamtziel noch nicht erreicht

Unter dem Strich lassen sich mit all diesen Instrumenten die CO2-Emissionen auf etwa 110 Millionen Tonnen im Jahr senken. Klar ist: damit ist das Gesamtziel noch nicht erreicht. Aber das Reduzierungspotenzial der einzelnen Bereiche ist noch nicht ausgeschöpft. Durch die Digitalisierung, die in der Industrie stärker an Fahrt gewinnen wird, oder einen Preis für CO2 ergibt sich weiterer Spielraum, der allerdings heute noch schwer zu beziffern ist.

Trotzdem hat sich die NPM dafür ausgesprochen, ein sozialverträgliches Modell für die Bepreisung von CO2 zu entwickeln und in seinen Wirkungen zu prüfen. Von einem Preis auf CO2-Emissionen versprechen sich Fachleute Impulse für eine Senkung der Emissionen, vor allem über die so genannte Sektorenkopplung. Das ist die Verbindung von Strom-, Wärme- und Gasnetzen mit dem Verkehrs- und Industriesektor.

Das macht aber auch deutlich: es muss ein Gesamtkonzept her, ein isolierter Alleingang im Verkehr bringt nichts. Außerdem braucht es für einen solchen Umbau im Steuersystem eine breite gesellschaftliche Debatte, sonst fehlt es an Akzeptanz.

Mit diesem Zwischenbericht ist die Arbeit der NPM nicht abgeschlossen. Jetzt müssen die einzelnen Instrumente ausgearbeitet und bewertet, die notwendigen Investitionen beziffert und die Folgen für Beschäftigung und Standorte analysiert werden. Und überprüft werden muss kontinuierlich, ob dann die Maßnahmen greifen, und wie die Lücke zum Zielwert weiter geschlossen werden kann.

„Genau genommen geht die eigentliche Arbeit jetzt erst los – denn die Umsetzung wird viel schwieriger als die Entwicklung noch so schöner Konzepte in Kommissionen. Aber immerhin, der erste Schritt ist gemacht“ bilanziert Frank Iwer den erreichten Stand der NPM.


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