11. November 2011
Solarbranche: Interview mit Harald Frick, Konzernbetriebsrat
„Man lässt uns einfach verhungern“
Die Solarbranche kämpft um ihre Existenz, gleichzeitig kürzt die Politik die Fördermittel um 30 Prozent. Das verschärft die Lage für die Branche. Harald Frick, Betriebsrat in einer Solarfirma, befürchtet dass dahinter starkte Lobbyinteressen stehen. Er fordert eine Sonnen-Energiewende.

Der Solarbranche geht es zurzeit insgesamt nicht gut. Wie geht es Euch bei Conergy?

Harald Frick: Auch nicht gut. Wir hatten in Spitzenzeiten 750 Beschäftigte, jetzt nur noch 330. Früher hatten wir die komplette Fertigung hier. Jetzt bauen wir nur noch Module.

Wie kommt’s?
2008 eröffneten die Chinesen mit ihren Solarmodulen einen rigorosen Preiskampf auf dem deutschen Markt. Den haben wir nur mit aufgeschürften Knienund blutigen Nasen überstanden. Allein 2011 haben sich die Modulpreise mehr als halbiert. So etwas ist in der modernen Industriegeschichte wahrscheinlich einmalig. In dieser schwierigen Situation wurden auch noch die Fördermittel gekürzt.

Und jetzt streicht die Regierung wieder bis zu 30 Prozent. Rund 11000 Menschen haben dagegen am5. März in Berlin protestiert. Warst Du dabei?
Natürlich. DasProblem sind nicht nur die Kürzungen. Hinzu kommt, dass der Ausbau der Solarenergie in den nächsten Jahren massiv eingedämmt wird. Außerdem wollen die Minister Rösler und Röttgen künftig über weitere Kürzungen allein entscheiden, ohne Parlament. Wenn das geschieht, werden die Finanzierungsbedingungen so unsicher, dass die Banken für künftige Solarprojekte wohl kaum mehr Geld geben. Diese rabiate Politik wird enorme Schäden verursachen, vor allem im Osten.

Weil die meisten Solarfirmen in Ostdeutschland sind?
Ja, gerade wir im Osten wurden mit dem Versprechen gelockt: Hier gibt es gute Arbeitsplätze, Zukunft, Beschäftigung auf lange Sicht. Allein in Frankfurt/Oder wurden in den letzten sechs Jahren rund 2000 Arbeitsplätze in der Solarbranche geschaffen. Sie ist hier der größte Arbeitgeber.Und dann ist plötzlich Schluss. Man lässt uns verhungern. Das macht uns zornig. Wir sind doch kein Spielball der Politik. Wenn eine Regierung Versprechungen macht, muss sie sie einhalten.

Was erwartest Du denn von der Politik?
Zuerst einmal, dass sie nicht ausgerechnet mitten in einer schweren Krise auch noch die Fördermittel kürzt. Und dass sie die Solarindustrie schützt. Schließlich geht es um einen Wirtschaftszweig, der innovative Technologien für Zukunftsmärkte herstellt. Noch konzentriert sich der Absatzmarkt für die Photovoltaik auf Europa, besonders auf Deutschland. China schneidet sich große Stücke aus dem Förder-Kuchen nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) ab. Als klar wurde, dass die anderen Länder bei den erneuerbaren Energien nicht mitziehen und chinesische Firmen deutsche auf dem hiesigen Markt in einem knallhartenWettbewerb verdrängen, hätte die Politik handeln müssen. Es geht schließlich um eine Zukunftsbranche mit schon 100 000 Arbeitsplätzen. In Italien gilt zum Beispiel: In jedem Modul,das im Land gefördert und verschraubt wird, muss mindestens 50 Prozent Europa sein.

AKWs abschalten, Energiewende versprechen, dann aber die Solarförderung kürzen: Es sieht aus, als hätte die Regierung keinen Plan. Oder doch?
Das Problem ist, dass die großen Energiekonzerne E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall hier nicht im Markt sind. Solarstrom ist dezentral, die Firmen sind relativ klein. Die Solarbranche kann sieben Gigawatt in einem Jahr aufbauen; das entspricht sieben Großkraftwerken. Das ist für die Großkonzerne, deren Bilanzen die Energiewende ohnehin nicht verbessert hat, eine Bedrohung.

Das heißt, hinter dieser Politik stehen aus Deiner Sicht starke Lobby-Interessen?
Das sehe ich so. Die großen Energiekonzerne versuchen, die Solarbranche in die Ecke zu drängen.

Da könnte die Nationale Plattform, die die IG Metall fordert, doch helfen und gegensteuern?
Wenn Politik, Arbeitgeber undGewerkschaften gemeinsam Lösungen erarbeiten, die unsere Arbeitsplätze sichern, würde ich als Gewerkschafter diese Bühne gern mit der IG Metall betreten.

Apropos Gewerkschaft. Habt Ihr schon viele Mitglieder?
Das Pflänzchen ist noch klein, aber es wächst. Wir brauchen noch etwas Zeit. Die Beschäftigten sind froh, in der Solarbranche Arbeit zu haben. Doch immer mehr Kollegen sehen, dass die Gewerkschaft gebraucht wird. Wir haben keinen Tarifvertrag; die Löhne und Arbeitsbedingungen sind verbesserungsbedürftig. Aber am wichtigsten ist natürlich, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben.


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