... langfristig sichere Arbeit und neue Arbeitsplätze.
Ökologische Nachhaltigkeit funktioniert nicht ohne soziale Nachhaltigkeit. Langfristig sichere Arbeit und neue Arbeitsplätze sind unabdingbar. Wenn das nicht geschieht, wird Industrieumbau als Bedrohung empfunden und erzeugt Widerstand. Klar ist auch, ohne die Beteiligung der Menschen funktioniert er nicht. Die Beschäftigten und die Gewerkschaften, können viel dazu beitragen, dass der Umbau vorangeht – und ein Erfolg wird.
„Heute umzusteuern kostet uns weniger als wenn wir weiter auf morgen warten“. Der Wechsel zu einer ökologisch und sozial nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft muss sofort anfangen. Darin waren sich die Wissenschaftler einig, die am 6. Dezember 2012 auf dem Kurswechselkongress der IG Metall im Forum „Nachhaltiger Industrieumbau“ referierten. Einen Bremser auf dem „Pfadwechsel“ zu nachhaltiger Wirtschaft verortete Kurt Hübner, Professor an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada, in den Finanzmärkten, die auf schnelle, hohe Renditen ausgerichtet sind. Sie müssten so umstrukturiert werden, dass sie wieder der Realwirtschaft dienen und Innovationsprozesse unterstützen.
Die Industrieproduktion, von neoliberalen Zeitgeistsurfern vor der Krise noch als „old economy“ von gestern abgekanzelt, „wird weltweit drastisch zunehmen“, prognostizierte Hübner. Aber das bisherige Wachstumsmodell habe keine Zukunft, weil es an ökologische Grenzen stößt. Die spannenden Frage sei: Wie leiten wir den Übergang in ein neues Wachstumsmodell ein. Bei der Transformation werde es viele Widerstände geben, auch unter den Arbeitnehmern. Denn es gebe Gewinner und Verlierer. „Der Prozess muss sozial begleitet werden, um die potenziellen Verlierer mit im Boot zu halten und damit aus Verlierern nicht Blockierer werden.“
„Muss man arm werden, um energieeffizient zu sein?“ Diese Frage stellte Fritz Reusswig. Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Um sie gleich mit „Nein“ zu beantworten. Es stimmt zwar, dass die ärmsten Länder am wenigsten Natur und Rohstoffe verbrauchen und die Umwelt am wenigsten belasten. Aber am Beispiel des sehr unterschiedlichen Ressourcenverbrauchs von Städten – wie London, New York und Houston – zeigte er, dass Wohlstand und Nachhaltigkeit zusammen gehen können. Zersiedelte Städte erzeugen erheblich höhere Belastungen als verdichtete. Reusswig plädierte unter anderem für eine bessere Stadtplanung und mehr kommunale Investitionsprogramme. Er hält sogar eine Stärkung der Massenkaufkraft für sinnvoll – wenn sie die Menschen befähigt, Produkte zu kaufen, die besser statt billiger sind. Ferner brachte er Mehrwertsteuersätze in die Diskussion, die Anreize schaffen, grüne Produkte zu kaufen.
Mit dem ökologischen Kurswechsel dürfe nicht gewartet werden, bis selbst die größten Zauderer und Bremser in der Völkergemeinschaft bereit sind mitzumachen, sagte Kurt Hübner. Auch Alleingänge würden sich lohnen. Deutschland könne durch sein gutes Beispiel die positiven wirtschaftlichen Argumente liefern, um auch die anderen zu überzeugen. Wer technologisch voranschreite, habe auf dem globalen Markt wirtschaftliche Vorteile.
Kathryn Harrison, auch Professorin an der British Columbia-Universität, wies auf den Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Treibhausgasen hin. So seien die CO2-Emissionen in den USA zwar seit 1990 anders als in Deutschland stark gestiegen, aber pro Kopf um zwölf Prozent gesunken. Die nationalen CO2-Bilanzen, so Harrison, würden auch anders aussehen, wenn nicht nur die im Land produzierten, sondern auch die verbrauchten Güter betrachtet würden. In Deutschland zum Beispiel wären die Emissionen um 25 Prozent höher, wenn die importierten Waren – wie Nahrungsmittel, Kleidung, billiges Spielzeug – eingerechnet würden. Harrison vertrat die Auffassung, dass sich auch die Konsumgewohnheiten und Lebensstile ändern müssten.
Hübner wies darauf hin, dass die ökologische Umstrukturierung der Wirtschaft kein Selbstläufer ist. Die Politik müsse ihn steuern. Doch je stärkere Emissionen in einem Sektor verursacht werden, desto stärker ist die wirtschaftliche Lobby, die (erfolgreich) dagegen agiert, sagte Harrison. Dagegen müssen sich „Wachstumskoalitionen“ bilden, empfahl Hübner. Es müssten sich „Interessengruppen aus Produzenten und Verbrauchern herausbilden“, die Druck auf die Politik und Wirtschaft entfalten können und „die Entwicklung mitgestalten“. Die Gewerkschaften sind nach Auffassung von Kathryn Harrison in der Lage, in diesem Prozess „zum länderübergreifenden Lernen“ beizutragen.
„Je länger wir mit dem ökologischen Umbau warten, desto schwieriger wird er“, mahnte Jürgen Kerner, geschäftsführendes IG Metall-Vorstandsmitglied. Ein Schlüssel zu nachhaltigem Industrieumbau bestehe darin, die Ressourceneffizienz der Firmen zu erhöhen. Daran müssten die Beschäftigten beteiligt werden.
Kerner wies darauf hin, dass ökologische Nachhaltigkeit nur in Verbindung zu sozialer Nachhaltigkeit funktioniert. Nachhaltige Industriepolitik könne Arbeitsplätze langfristig sichern und viele neue schaffen. Es ist Zeit für gute Arbeit. Dazu gehört ein Arbeitsplatz, der angemessen bezahlt wird, gute Arbeitsbedingungen bietet und die Rechte der Beschäftigten achtet. Das ist heute zum Beispiel in der Windbranche in der Regel nicht der Fall. Wenn beides gelingt, sagte Kerner, „wird der Umbau nicht als Bedrohung gesehen, sondern als Chance“.