Wer im Supermarkt ins Süßigkeitenregal greift, dem wird vielleicht etwas auffallen. Die „minis“ von Ritter Sport sind mittlerweile in Papier verpackt statt in Plastik. Der große quadratische Bruder könnte sich bald ebenfalls im Papiergewand dazugesellen, erste Prototypen gab es schon in ausgewählten Läden. Warum? Ivo Buncuga, technischer Leiter beim Schokoladenhersteller Ritter Sport gibt die Antwort: „Wir wollten ein Material aus nachwachsenden Rohstoffen verwenden, das sich über den Papier-Recyclingstrom entsorgen lässt. Um diese Idee in die Praxis zu überführen, kommen Verpackungsmaschinenhersteller wie Syntegon ins Spiel. Die Waiblinger arbeiten stets daran, dass die Verpackungen, die ihre Maschinen produzieren, nachhaltiger werden. In der Theorie klingt das ganz leicht: Zum Beispiel ist Papier im Gegensatz zu Plastik ein nachwachsender Rohstoff, leichter zu recyceln und biologisch abbaubar. Also nimmt man Papier statt Plastik, um die Dinge des täglichen Gebrauchs zu verpacken. Doch genau hier wird es technisch kompliziert.
Es geht neben der Recyclingfähigkeit auch um die „Siegelfähigkeit“ und „die Barrie“, erklärt Michael Klauser, Advanced Technology Development and Innovation bei Syntegon. Im Klartext bedeutet das, der Ingenieur und seine Kolleginnen und Kollegen arbeiten daran, das Papier undurchlässig für andere Stoffe zu machen. „Ein Tropfen Wasser dringt durch normales Papier durch. Eine Schokolade kann so verunreinigt werden, ein Krebsmedikament vielleicht sogar seine Wirksamkeit verlieren. Das darf natürlich nicht passieren“, erklärt Klauser. Das Papier, in dem Lebensmittel oder Medikamente eingepackt werden, beschichten die Metallerinnen und Metaller bei Syntegon. Hier kommen dann doch meist wieder Kunststoffe zum Einsatz. Die Kunst ist dabei, den Anteil sehr gering zu halten. Am besten so gering, dass das Papier als Papier und nicht als Verpackung recycelt werden darf.
Das Problem für die Metallerinnen und Metaller, die an neuen Verpackungen forschen, ist, dass keine Einheitlichkeit bei den Recyclingvorgaben herrscht, nicht mal innerhalb Europas. Ab wann eine Verpackung also in die Papiertonne darf oder doch in den gelben Sack muss, ist unterschiedlich. Ganz zu schweigen davon, dass vielerorts der Müll ganz anders oder gar nicht getrennt wird. Schuld sind unterschiedliche Gesetze. Dazu kommt, dass sich die Gesetze schnell ändern. Doch um Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland und der EU zu sichern, müssen Unternehmen frühzeitig und langfristig planen können. Es braucht also eine Strategie, die klare Anforderungen an Verpackungsmaterialien formuliert, und keine kurzfristigen Verbote und Vorgaben macht.
Auch von einigen Supermarktbesuchern werden Verpackungen strikt gemieden. Sie wollen nachhaltig einkaufen, am liebsten ganz auf Verpackungen verzichten. Doch nicht immer ist ihre Kaufentscheidung dann wirklich die nachhaltigere. Oft sehen unverpackte Waren nachhaltiger aus, doch die Verpackung hat eine Schutzfunktion und verhindert, dass die Ware verdirbt oder beschädigt und so vom Einzelhändler vernichtet statt verkauft wird. Zwischen gut gemeint und gut gemacht liegt also auch hier häufig ein großer Unterschied.
Damit Konsumenten wirklich nachhaltig einkaufen können, muss die ganze Wertschöpfung betrachtet und Aufklärung darüber betrieben werden: „Die öffentlich geführten Debatten um Kreislaufwirtschaft und Verpackungsvermeidung werden häufig emotional, undifferenziert und wenig faktenbasiert geführt“, kritisiert Michael Christoph, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Syntegon. Er und viele Betriebsräte der Branche fordern die Politik auf, die Öffentlichkeit besser über eine sinnvolle Gestaltung der Kreislaufwirtschaft und notwendige Maßnahmen zum Schutz von Lebensmitteln und anderen Produkten aufzuklären. Denn nicht nur die Konsumenten wären so verunsichert. Die von der Öffentlichkeit, teils aber auch von der Politik oft hitzig geführten Diskussionen führten auch zu einer Blockierung bei ihren Kunden, berichtet Christoph. Denn zwar möchten viele Unternehmen nachhaltigere Verpackungen einführen, doch mit Investitionen hielten sie sich oft zurück, da momentan offen sei, welche Verpackungsmaterialien sich durchsetzen werden und welche künftig geächtet werden. Diese Unsicherheit muss politisch gelöst werden, fordert die IG Metall – insbesondere durch klare, auf Langfristigkeit zielende Regelungen.
Der Weg zur Kreislaufwirtschaft und klimafreundlicher Verpackung erfordert, dass der Maschinenpark zur Produktion von Verpackungen umgestellt wird. Daher müssen die heimischen Verpackungsmaschinenbauer ihr Produktportfolio anpassen und neue Märkte erschließen. Es gilt, die Entwicklung von neuen flexiblen Maschinen, etwa für Papier- und Mehrwegverpackungen, anzugehen, um am Weltmarkt wettbewerbsfähig und auf verschiedene Szenarien vorbereitet zu sein. Um ein neues Produktportfolio entwickeln und herstellen zu können, müssen Mittel zur Qualifizierung der Beschäftigten bereitgestellt werden. Die Politik muss diesen Prozess durch finanzielle Förderung unterstützen. Staatliche Förderung muss dabei generell an die Bedingung geknüpft werden, Arbeitsplätze und Standorte vor Ort zu sichern. Gut 40.000 Beschäftigte sind in der heimischen Verpackungsmaschinenindustrie tätig. Weiterhin sollte Förderung nur an Unternehmen mit Guter Arbeit fließen.
Um die Rückgabe- und damit die Recyclingquote zu erhöhen, unterstützt die IG Metall eine Pfandpflicht in ganz Europa auf alle Einweg- und Mehrweg-Getränkeverpackungen sowie eine eindeutige Kennzeichnung für die Verbraucherinnen und Verbraucher. In der Debatte um Mehrweg- und Einwegverpackungen gilt es, die gesamte Wertschöpfungskette inklusive des Transports zu betrachten und die CO2-neutralste Variante zu fördern. Mehrwegverpackungen sind nur CO2-neutraler, wenn sie mit kürzeren Transportwegen einhergehen. Daher befürwortet die IG Metall und die Betriebsräte der Branche die Etablierung kurzer, regionaler Produktions- und Distributionsstrukturen für Mehrwegverpackungen. Um CO2-Neutralität zu erreichen, braucht es zudem staatliche Anreize wie eine Lenkungsabgabe für CO2-Ausgleich für lange Transportwege. Unverpackte Lebensmittel müssen ebenfalls ganzheitlich in den Blick genommen werden. Es gilt, den CO2- und Ressourcenverbrauch von unverpackten und verpackten Produkten zu vergleichen. Dabei müssen Primär-, Sekundär- und Transportverpackungen ganzheitlich und mit Blick auf die Reduzierung von Überverpackungen betrachtet werden.
Um Recyclingprozesse zu optimieren, Recyclingquoten zu steigern und einen höheren Einsatz von recycelten Material „Rezyklat“ zu fördern, dazu sollten die Mittel der EU-Plastiksteuer genutzt werden. Der Rezyklat-Anteil darf jedoch nicht unabhängig vom Produkt politisch festgeschrieben werden. Denn ein höherer Rezyklat-Anteil wirkt sich auf die Flexibilität des Produkts und den Energieaufwand bei der Verarbeitung aus. Vielmehr müssen Anreize für höhere Rezyklat-Mengen mit staatlichen Förderungen für den Verpackungsmaschinenbau einhergehen. Diese Förderungen müssen die Umstellung von Technologien und die Entwicklung neuer Verpackungsmaschinen unterstützen.