Mit gezielten Investitionen und passgenauen rechtlichen Rahmensetzungen muss die Bundesregierung schnell und entschlossen für den Aufbau einer stabilen und verlässlichen Wasserstoffinfrastruktur sorgen. Dazu hat die IG Metall im Rahmen ihrer Wasserstofftagung in Berlin aufgerufen.
Die Tagung war der Auftakt der Wasserstoffinitiative „H2 treibt an“, mit der die IG Metall das Thema im Sinne guter und zukunftsfähiger Arbeitsplätze auf politischer und betrieblicher Ebene vorantreiben will.
Die Teilnehmer der Konferenz – darunter Betriebsräte von großen Stahlproduzenten, Energieanlagenbauern, aus der Bahnindustrie, der Mobilitätsbranche und von Triebwerkherstellern – haben den dringenden Handlungsbedarf in Sachen Wasserstoff unterstrichen und ein Forderungspapier an die Bundesregierung verabschiedet.
Wir fordern einen Ausbau der Elektrolyse-Kapazitäten auf 10 GW bis 2030. Die bislang in der Wasserstoffstrategie festgelegten 5 GW reichen in keinem Fall aus.
Beispiel Stahlindustrie: 1,4 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff sind nötig, wenn Stahl komplett auf Direktreduktion umgestellt wird. Das entspricht 9 GW installierte Kapazität nur für Stahl.
Wir fordern eine Quote von grünem Wasserstoff in der Menge, dass die Grundstoffindustrie in nennenswertem Umfang versorgt werden kann.
Aktuell wird nur 5 Prozent des Wasserstoffs in Deutschland aus erneuerbaren Quellen gewonnen, das sind 3 TWH=0,1 GW. Bei einem Ziel von 10 GW Erzeugungskapazität im Stromnetz, also 10-26 TWH für 2030, muss sich die Quote an in Deutschland produziertem Wasserstoff mindestens verzweieinhalbfachen (x 2,5) bis zu versechsfachen (x 6). Der Rest muss über Exporte (aktuelle Schätzung: bis zu 80 Prozent) abgedeckt werden. Trotz der Farbenlehre im Wasserstoff (grün, blau, türkis) wollen wir über Quoten dazu kommen, nur noch grünen Wasserstoff einzusetzen.
Wir fordern, durch verschiedene Instrumente den Markthochlauf zu fördern.
Dazu gehören z.B. eine Nachfragequote für klimafreundliche Grundstoffe durch öffentliche Beschaffung, eine Verbraucherabgabe auf Endprodukte, Förderprogramme bzw. Investitionszuschüsse für den Anlagenbau für Elektrolyseure, der Aufbau von Tankinfrastrukturen für Nutzfahrzeuge, Schienen- und Luftverkehr, Beimischungsquoten von Power-to-X für Kraftstoffe…
Wir fordern die Bundesregierung auf, den Strombedarf für die Zukunft realistisch einzuschätzen.
Der Strombedarf wird steigen. Aktuell pendelt der Bruttostromverbrauch (inkl. fossiler Energieträger) in Deutschland knapp unter 600 TWh. Heutiger Plan der Bundesregierung: wesentlich geringere, unrealistische Strombedarfsmenge von 580 TWh bei 65-prozentigem Ausbauziel Erneuerbare Energien bis 2030. Nötig sind selbst bei diesem Ziel mindestens 700 TwH. Langfristig bedeutet das: Bis 2050 ergibt sich bei Hundert Prozent Erneuerbare Energien ein Strommehrbedarf in der Industrie von 249 auf ca. 410 TWh, im Verkehr von ca. 12 auf 220 TWh.
Wir fordern, die Infrastruktur für Wasserstoff zügig auszubauen.
Die Industriestandorte müssen an das Fernleitungsnetz angeschlossen werden. Über 90 Prozent (entspricht 1.100 km) des bestehenden Fernleitungsnetzes, das heute für Erdgas genutzt wird, wären bereits für Wasserstoff umzuwidmen. Schwerpunkte hierfür sind Nordrhein-Westfalen und Norddeutschland. Neue Netze und Leitungen (100 km) müssen neu dort verlegt werden, wo Elektrolyse möglich ist und Industrie-Abnehmer darauf angewiesen sind. Ergänzend dazu muss es dezentrale Wasserstoff-Hubs geben, von denen aus Tankstellen beliefert werden.
Wir fordern, dass das Thema Aus- und Weiterbildung berücksichtigt wird.
Die erwarteten Beschäftigungsvolumina unmittelbar im Bereich der Wasserstoff-Produktion sind noch unklar. Hier besteht die Chance, bestehende Kompetenzen im Energieanlagenbau zu nutzen und eine zukunftsfähige Branche zu entwickeln, die Elektrolyseure auf dem Weltmarkt anbietet und Beschäftigung auch in Deutschland sichern und ausbauen kann.
Insbesondere in den Branchen Stahl, Maschinen- und Anlagenbau, in der Nutzfahrzeug- und Flugzeugbranche werden neue Qualifikationen benötigt. Hier müssen im Berufsausbildungsgesetz oder bei Ausbildungsordnungen mögliche Veränderungen schnell umgesetzt werden. Für bestehende Beschäftigungsverhältnisse müssen Weiterqualifizierungen oder Umschulungen angeboten werden.
Wir fordern, dass bei anstehenden Transformationsprozessen die Beschäftigten beteiligt werden.
Die Beschäftigten wissen bereits jetzt aus ihrem betrieblichen Alltag sehr gut, in welchen Bereichen bei einer Umstellung auf andere Produkte und Produktionsverfahren Änderungen anstehen.
Wie sehr greift die Umstellung von Produktionsverfahren in die Wertschöpfungstiefe eines Unternehmens ein? Besteht die Gefahr von Verlagerungen. Was bedeutet der Antrieb von Turbinen, Eisenbahnwaggons, Nutzfahrzeugen mit Wasserstoff für die Beschäftigten? Welche Berufsbilder verändern sich? Diese Fragen stellen sich die Beschäftigten. Es ist die Aufgabe von Arbeitgebern, Politik und Beschäftigten, sich diesen Fragen gemeinsam zu stellen und Lösungen zu finden.