Über 700 000 Betriebe haben mittlerweile bundesweit Kurzarbeit beantragt. Im Organisationsbereich der IG Metall sind zwei Drittel der Betriebe betroffen. In 60 Prozent davon haben IG Metall und Betriebsräte durchgesetzt, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten eine Aufstockung auf ihr Kurzarbeitergeld bezahlt. In rund 56 Prozent dieser Betriebe gibt es über 80 Prozent vom Netto, in 29 Prozent der Betriebe sogar über 90 Prozent – statt der gesetzlichen 60 Prozent (67 Prozent mit Kindern).
Aufzahlungen auf das Kurzarbeitergeld gibt es vor allem dort, wo die IG Metall viele Mitglieder und starke Betriebsräte im Betrieb hat, nicht nur bei den großen Industriebetrieben, sondern auch im Handwerk und bei Dienstleistern.
In vier von zehn Betrieben jedoch gibt es keinerlei Aufzahlung. Die Beschäftigten in diesen Unternehmen verlieren dadurch bis zu 40 Prozent ihres Einkommens.
Darunter sind auch namhafte Unternehmen wie der Autozulieferer und Rüstungshersteller Rheinmetall. Dort hat die Konzernspitze verfügt, dass es keinerlei betriebliche Aufzahlungen auf das Kurzarbeitergeld gibt. Zugleich jedoch schüttet Rheinmetall trotz Corona über 100 Millionen Euro als Dividenden an seine Aktionäre aus.
Andere Unternehmen haben durchaus nachvollziehbare Gründe, keine Aufstockung zu bezahlen. Gut ein Viertel hat bereits Probleme mit der Liquidität.
Zudem sind viele Betriebe gerade dabei, die Zukunft nach Corona zu sichern, für die digitale und ökologische Transformation, und haben sämtliche Mittel dafür reserviert.
„Unser Arbeitgeber zahlt uns nichts zum Kurarbeitergeld dazu. Ich habe dadurch am Monatsende bis zu 500 Euro weniger“, erklärt Armin Muno, der beim Autozulieferer Thyssenkrupp Gerlach in Homburg/Saar arbeitet. „Ich habe schon Angst, wie das die nächsten Monate weitergehen soll. Ich habe ein Haus abzubezahlen, Strom, Wasser – die wollen ja alle weiter ihr Geld.“
Keine Aufzahlung, trotz guter Gewinne in den letzten Jahren. Auf der anderen Seite investiert Thyssenkrupp Gerlach 80 Millionen Euro, um künftig weniger von Verbrenner-Motoren abhängig zu sein. „Ich kann die Geschäftsleitung schon teilweise verstehen, es geht ja auch um unsere Zukunft nach Corona“, meint Muno. „Umso wichtiger wäre es, dass die Politik nun handelt und unser Kurzarbeitergeld aufgestockt wird.“
Immerhin gilt bei Thyssenkrupp Gerlach der Metall-Tarif. Dadurch ist die Berechnungsgrundlage für das Kurzarbeitergeld noch relativ hoch. Doch dort, wo die Löhne ohnehin schon niedrig sind, bleibt im Grunde nichts mehr übrig zum Leben.
„Ich habe nur 744 Euro Kurzarbeitergeld, das reicht hinten und vorne nicht. Ich zahle schon 400 Euro für die Miete“, kritisiert Simone Schmidt, die im Maja-Möbelwerk im sächsischen Wittichenau arbeitet. Einige ihrer Kolleginnen und Kollegen trifft es noch härter: Sie sacken ab auf gerade mal 636 Euro im Monat.
Dabei hätte es noch schlimmer kommen können: Die Beschäftigten des Maja-Möbelwerks haben sich gerade zum 1. Januar ihren ersten Tarifvertrag mit der IG Metall erkämpft. Doch der Tarif steigt nur schrittweise – und in die Berechnung des Kurzarbeitergelds fließt auch der Dezember 2019 mit ein.
Maja fertigt Kommoden für Ikea. Und da Ikea seine Möbelhäuser von heute auf morgen wegen Corona dichtmachte, rutschte Maja sofort in Kurzarbeit Null. „Das hat uns krass überrollt“, berichtet der Betriebsrat Rüdiger Wolf, der zugleich Mitglied des Ortsvorstands der IG Metall Ostsachsen ist. „Wir haben zwar hart verhandelt, aber wir konnten in der kurzen Zeit lediglich einen Fonds für Härtefälle in Höhe von 50 000 Euro herausholen, aus dem die Beschäftigten Hilfen beantragen können.“
Wolf fordert, dass die Politik handelt. Bisher entlastet die Bundesregierung bei Kurzarbeit nur die Arbeitgeber, indem sie ihnen die Sozialversicherungsbeiträge erlässt. Da muss endlich auch was für die Beschäftigten kommen – von Arbeitgebern und Politik.