10. März 2020
Transformation in der Auto- und Zulieferindustrie
Der Weg zur erfolgreichen Transformation
An die Mobilitätswende gehen die transformationserfahrenen ostdeutschen Autohersteller und Zulieferer unterschiedlich heran. Die Otto Brenner Stiftung untersuchte die verschiedenen Strategien.

Die Automobilindustrie steht unter enormem Veränderungsdruck. Handelskrieg, Digitalisierung und Klimawandel sorgen für neuartige Anforderungen. Diesen soll unter anderem mit einer Verkehrs- und Mobilitätswende begegnet werden. Das hat gravierende Folgen: Produktionsschritte und Beschäftigung, die mit dem alten Antriebsstrang verbunden sind, stehen zur Disposition. Wertschöpfungsketten verändern sich, die Arbeitsbeziehungen geraten unter Veränderungsdruck und in den Belegschaften wachsen die Sorgen – um die Zukunft der Branche und die Beschäftigungssicherheit. Das gilt insbesondere für die „neuen“ Bundesländer, denn dort trägt die Auto- und Zulieferindustrie erheblich zu Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum bei.

Die Sorgen der Beschäftigten sind berechtigt: Die Automobilhersteller haben bereits Arbeitsplätze abgebaut und einige Zulieferer sind in existenzielle Schwierigkeiten geraten. Doch wo Schatten ist, gibt es auch Licht: Die Transformation bietet Chancen.


Fehlende Investitionen hemmen die Transformation

Die transformationserfahrenen ostdeutschen Bundesländer begegnen den Herausforderungen des Wandels mit ganz unterschiedlichen Strategien. Thüringer Betriebe beispielsweise setzen weiter sehr stark auf den konventionellen Antriebsstrang. Sie versuchen das Pferd zu reiten, bis es tot ist. Die Zukunftsperspektive sieht dadurch aber düster aus.

Anders in Sachsen. Das Bundesland entwickelt sich zum Pionier für die neue Mobilität. Die Chance stehen daher gut, dass das sächsische Automobilcluster zu den Gewinnern der Transformation zählen wird. Denn dort wurde rasch auf die Produktion von Elektromotoren umgestellt und entsprechend investiert. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Otto Brenner Stiftung. In dieser haben die Forscherinnen und Forscher die aktuelle Herangehensweise an die Transformation sowie die anstehenden Herausforderungen für die Betriebe und ihre Beschäftigten in Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen genau unter die Lupe genommen und aus ihren Erkenntnissen Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Erste Erkenntnis der Studie: Trotz unterschiedlicher Ausgangsbedingungen in den untersuchten Regionen gibt es Gemeinsamkeiten:


Handlungsempfehlungen für eine gelingende Transformation

Eine gemeinsame Qualifizierungsoffensive ist für die Autorinnen und Autoren der Studie die erste Stellschraube für eine erfolgreiche Transformation. Denn: Die offensive Nutzung des Qualifizierungschancengesetzes und die Umwandlung des Kurzarbeitergeldes in ein Transformationskurzarbeitergeld tragen in aktuellen Umbau- und Überbrückungsphasen zum Erhalt der Arbeitsplätze und zur Sicherheit im Wandel bei, stellen die Wissenschaftler der Otto Brenner Stiftung fest.

Doch sie bemerken auch, dass von den Maßnahmen nicht alle Betriebe und nicht alle Beschäftigte gleichermaßen profitieren. „Qualifizierungschancen für alle, nicht nur für Leistungsstarke“, sei noch nicht überall das Leitmotiv. Es fehlten Konzepte für gering Qualifizierte, deren Chancen für eine Aufwertung ihrer Arbeit am Arbeitsplatz und auf den Arbeitsmärkten schrumpfe, so die Studienautorinnen und -Autoren.

Sie empfehlen deshalb: Da es in vielen kleinen Betrieben der zweiten oder dritten Zulieferstufe keine ausreichende Personalplanung und zu wenig Qualifizierungsangebote gibt, sollten arbeitsmarktpolitische Instrumente passgenauer an Kompetenzen und dem Erfahrungswissen der Menschen in den Betrieben ansetzen. Ein Austausch mit Erfahrungen im Zusammenhang mit Kompetenzabfragen in einigen Großbetrieben könne dafür wichtige Hinweise liefern, vor allem aber die Kommunikation untereinander verbessern.

Die Forscherinnen und Forscher empfehlen zudem die Transformationsmotive klar zu transportieren: „Transformation“ bleibe für viele der Befragten bisher ein sehr abstrakter Prozess, der oft nicht mit einem positiven Blick in die Zukunft, sondern mit Rationalisierung, Arbeitsverdichtung und mit erneuter Benachteiligung gegenüber Westbetrieben verbunden und empfunden werde, wenn es zum Beispiel um verkleinerte Verteilungsspielräume bei Investitionen und Produktzuweisungen gehe. Das schürt Ressentiments, stellt die Studie fest. Durch mehr Transparenz und Offenheit über Konzern-Vergabepraktiken an die oft von westdeutschen und europäischen Zentralen geführten Standorte vieler Zulieferer könne hingegen aufgezeigt werden, dass es sich keineswegs um ein Ost-West-Problem, sondern um ein grundsätzliches Problem in der gesamten hierarchischen Autokette handle.


Mitbestimmung und neue Geschäftsmodelle sind jetzt gefragt

Die digitale Transformation intensiv zu begleiten, ist eine weitere Empfehlung der Otto Brenner Stiftung: „Hinsichtlich der Automatisierungsängste sollte im weiteren Veränderungsprozess die Schließung der Lücke zwischen Forderungen nach mehr Innovationen, notwendiger Prozessmodernisierung in den Fabriken und gefühlten Rationalisierungsgefahren weniger technikorientiert, sondern aus der Beschäftigungsperspektive ‚Mitbestimmung für eine arbeitspolitische Sicherheit bei zunehmender Digitalisierung‘ explizit eingebracht werden“, heißt es deshalb auch in der Studie.

Die Konversion zum Thema zu machen, ist der letzte Tipp der Autorinnen und Autoren an die Betriebe: „Dass das Arbeitsvolumen sowohl mit vermehrten E-Auto-Anteilen als auch mit weiteren Automatisierungsprozessen mittel bis langfristig zurückgehen wird, sollte offen angesprochen werden.“ Dazu gehöre auch, dass sich die OEMs in Zukunft mehr Wertschöpfung von den Zulieferern zurückholen sowie neue digitale Wertschöpfung für sich sichern würden. Doch die Otto Brenner Stiftung sieht auch Licht. Wenn Betriebe offen diskutierten und nach Alternativen suchten, eröffne dies Konversionschancen bei den Zulieferern. Denn es gibt in den Betrieben Produktionsanlagen, Maschinen, Ausrüstungen und Labore, mit denen neben Autoteilen auch die Fertigung anderer gesellschaftlich nützlicher Produkte denkbar ist, halten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest.

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