Heiko Reese: Die EU-Kommission will den Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten neu justieren. Die Zahl dieser Zertifikate sollen weiter verknappt werden. Das führt dazu, dass die Stahlunternehmen noch mehr Zertifikate kaufen müssen als bisher. Nach Berechnung der Wirtschaftsvereinigung Stahl bedeutet das Zusatzkosten von einer Milliarde Euro im Jahr.
Wohl kaum. Bei ThyssenKrupp würde das derzeit bedeuten, dass ein Großteil der Gewinne für den Kauf von CO2-Zertifikaten draufgeht. Das Investitionsvolumen der gesamten deutschen Stahlindustrie liegt bei rund einer Milliarde Euro pro Jahr. Die von der EU geplante Verteuerung des Emissionshandels würde also bedeuten, dass keine Luft mehr für Investitionen bleibt. Die Auswirkungen sind schon jetzt spürbar: Stahlunternehmen halten Investitionen zurück, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt.
Beispiel ArcelorMittal: Dieser Konzern ist multinational aufgestellt, hat Werke außerhalb von Europa. Dort wird man genau überlegen: In welches Stahlwerk investiere ich? Es besteht die konkrete Gefahr, dass hierzulande Arbeitsplätze abgebaut werden und Produktion ins Ausland verlagert wird – in Länder, die keinen Emissionshandel haben. Aber solche Verlagerungen schaden dem Umweltschutz, den man doch gerade fördern will.
Wir haben in Deutschland und Europa die weltweit effizientesten Anlagen zur Stahlerzeugung, mit dem geringsten CO2-Ausstoß. Würde der Stahl, den wir in Europa brauchen, komplett importiert, dann würden wir erstens Arbeitsplätze verlieren und zweitens deutlich mehr CO2 verursachen als heute. Das macht keinen Sinn.
Das zeigen zwei Zahlen: In Deutschland fallen für eine produzierte Tonne Stahl 1,5 Tonnen CO2 an. In China sind es 1,8 Tonnen. Natürlich entwickeln sich die Chinesen technisch weiter. Wir aber auch. Die deutsche Stahlindustrie hat den CO2-Ausstoß in den vergangen 20 Jahren um rund 20 Prozent verringert. Ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.
In der eigentlichen Stahlproduktion ist die Grenze fast erreicht. Da sind beim CO2 vielleicht noch wenige Prozent drin. Entscheidend ist die Frage: Was machen wir mit dem CO2? ThyssenKrupp forscht an Verfahren, CO2 in andere chemische Produkte umzuwandeln. AcelorMittal erforscht, wie man CO2 mit Hilfe von Bakterien in Bioethanol umwandeln kann. Die IG Metall fordert die Stahlindustrie zu solchen Investitionen auf. Aber die Unternehmen müssen diese Investitionen auch leisten können. Eine weitere Kostenbelastung ist kontraproduktiv.
Viele Menschen haben immer noch dieses Bild im Kopf: Stahlindustrie ist laut und dreckig. Wir wollen den Umweltschutz in den Vordergrund rücken und zeigen: Die Stahlindustrie ist dabei schon weit vorangekommen. Man muss sich nur einmal Luftbilder des Ruhrgebiets von 1980 und von heute anschauen. Bei der Aktionswoche fordern wir von der Stahlindustrie aber auch, im Umweltschutz nicht nachzulassen.
Ja. Es ist ein Fehler, immer nur auf den CO2-Ausstoß während der Stahlproduktion zu schauen. Das ist zu kurz gedacht. Stahlprodukte werden vielfach dafür eingesetzt, CO2 zu reduzieren: Bei Windkraftanlagen, im Leichtbau. Außerdem lässt sich Stahl fast zu 100 Prozent recyceln. Man sollte die CO2-Bilanz über den gesamten Nutzungszeitraum im Auge haben.
Weil Rohstoffe und Stahlproduktion in China staatlich subventioniert sind. China wirft seinen Stahl in Europa zu Preisen auf den Markt, die nicht einmal die Produktionskosten decken. Das ist klassisches Dumping.
Die EU könnte chinesischen Stahl mit Strafzöllen belegen. Diese Verfahren sind aber langwierig. Außerdem versucht China gerade, bei den Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) den Status einer Marktwirtschaft zu erlangen. Dann wären Anti-Dumping-Maßnahmen kaum noch möglich. Man muss auch sehen: Manche deutschen Branchen haben ein Interesse daran, dass China diesen Status erreicht. Immerhin ist es einer der Wachstumsmärkte der Zukunft.
Die Eigenstromerzeugung ist ein Paradebeispiel dafür, wie Umweltschutz praktiziert werden sollte. Bei der Stahlerzeugung fallen brennbare Gase an. Die wurden früher einfach abgefackelt. Die Leute im Ruhrgebiet kennen das noch: Die hellen Feuer der Gasfackeln in der Nacht. Heute werden die Gase zur Eigenstromerzeugung verwendet. Fast die Hälfte des in der Stahlindustrie benötigten Stroms wird mittlerweile selbst produziert. Das ist vernünftig und sollte nicht bestraft werden.