22. Oktober 2019
Weiterbildungssystem
Starke soziale Spaltung bei Weiterbildungen
Die Unterschiede sind teils enorm: Führungskräfte nehmen häufiger als Ungelernte an Weiterbildungen teil, Erwerbstätige häufiger als Erwerbslose, Junge häufiger als Ältere – das zeigt eine Analyse des DGB. Diese untermauert zentrale Forderungen der IG Metall.

Eine aktuelle Analyse des DGB bringt es auf den Punkt: Im Weiterbildungssystem herrscht weiter eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Die Chancen sind nach wie vor ungleich verteilt. So haben im Jahr 2018 beispielsweise mit 78 Prozent deutlich mehr Führungskräfte an einer Weiterbildung teilgenommen als An- und Ungelernte (44 Prozent). Das geht aus Zahlen des Bundesbildungsministeriums hervor, die der Deutsche Gewerkschaftsbund für seine Analyse ausgewertet hat. Darin heißt es: „Auch bei der Weiterbildung gilt das Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben.“

Das gleiche Bild ergibt sich, vergleicht man Erwerbslose (49 Prozent) und Erwerbstätige (59 Prozent). Bei den älteren Menschen fällt die Beteiligung an Weiterbildung geringer aus. Nahmen laut Bundesbildungsministerium im Alter von 25 bis 34 Jahren im Jahr 2018 58 Prozent an Weiterbildung teil, so waren es bei den 55- bis 64-Jährigen 47 Prozent. Die DGB-Analyse zeigt auch: Junge Menschen mit maximal einem Hauptschulabschluss (39 Prozent) nehmen deutlich seltener an Weiterbildung teil, als die Erwerbstätigen mit hohem Schulabschluss (69 Prozent). Wer geringfügig beschäftigt ist, keinen guten Schulabschluss oder keinen Berufsabschluss hat, bekommt auch später deutlich weniger die Chance zur Weiterbildung, heißt es weiter.


Transformationskurzarbeitergeld einführen

Das muss sich dringend ändern. Durch den Wandel der Arbeitswelt verändern sich Berufsbilder und Qualifikationsprofile massiv. Weiterbildung ist zentral für Beschäftigungssicherung, der Bedarf wird insgesamt zunehmen. Sie darf sich gerade deshalb nicht auf Spezialisten und Führungskräfte beschränken. Alle Beschäftigtengruppen müssen die Chance bekommen, sich zu qualifizieren und persönlich weiterzuentwickeln. Das Bundesarbeitsministerium rechnet damit, dass bis zum Jahr 2025 durch Digitalisierung und technologischen Wandel etwa 1,3 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen, gleichzeitig aber ungefähr 2,1 Millionen neue entstehen werden.

Berufliche Weiterbildung ist ein entscheidender Schlüssel, um die Transformation aktiv und im Sinne der Beschäftigten zu gestalten. Sie eröffnet Chancen und bietet Schutz.

Für den Strukturwandel fordert die IG Metall, ein Transformationskurzarbeitergeld einzuführen. Es soll greifen, wenn in einem Betrieb ein Umbauprozess ansteht, der mit erheblichen Produktionseinbrüchen einhergeht. Ein solcher Umbau braucht Zeit, und es kommt zunächst zu Arbeitsausfall. Auf die Beschäftigten warten dann neue und veränderte Anforderungen und Tätigkeiten. In solchen Lagen soll das Transformationskurzarbeitergeld eine Brücke bauen. Es verhindert Entlassungen und minimiert die Entgeltverluste der Beschäftigten während des Arbeitsausfalls. Außerdem ― und das ist entscheidender Punkt ― soll die Kurzarbeit mit Qualifizierung verbunden werden. Unternehmen und Betriebsräte entscheiden gemeinsam, welche Fortbildung am sinnvollsten ist. Nach dem Transformationsprozess können die Beschäftigten mit neuen Fertigkeiten weiterbeschäftigt werden.


Bessere Rechte für Betriebsräte

Im Betrieb müssen insgesamt Kompetenzen der Berufsberatung und der beruflichen Begleitung aus- und vielerorts neu aufgebaut werden. Die Idee der IG Metall: Betriebs- und Personalräte sowie gewerkschaftliche Vertrauensleute sollen zu betrieblichen Weiterbildungsmentoren weitergebildet werden. Die Mentoren sollen Mut machen, Kolleginnen und Kollegen im Betrieb unterstützen und sie durch persönliche Ansprache zur Teilnahme an beruflicher Weiterbildung motivieren. Die IG Metall hat bereits in einem dreijährigen Forschungsprojekt Betriebsräte und Vertrauensleute in drei Pilotbetrieben zu Weiterbildungsmentoren ausgebildet. Ziel ist es, vor allem bildungsferne und geringqualifizierte Beschäftigte besser als bisher für Qualifizierung zu erreichen.

Die DGB-Gewerkschaften fordern bessere Rechte für Betriebsräte. Ein generelles Initiativ- und Mitbestimmungsrecht bei Personalplanung, Beschäftigungssicherung und Qualifizierung muss kommen. Zur Stärkung von Weiterbildung im Betrieb ist Mitbestimmung zentral, heißt es auch in der DGB-Analyse. Wer von Beschäftigungssicherung rede, müsse auch die Frage der Qualifikation der Beschäftigten mit einbeziehen. Damit kann auch sichergestellt werden, dass die gesamte Belegschaft von betrieblicher Weiterbildung profitiert.


Zukunft der Arbeit - Bildung und Qualifizierung

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