Was das Wort Transformation konkret bedeutet, wird hier greifbar: Donnerstagmittag in Halle 2 bei ZF in Saarbrücken, die neue Montagelinie blitzt und blinkt – an ihr werden Getriebe für den Mobilitätswandel gebaut. „Wir haben unser 8-Gang-Automatgetriebe weiterentwickelt und bieten es jetzt auch als Hybridgetriebevariante an“, sagt Betriebsratsvorsitzender Matthias Scherer. „Damit treiben wir die Elektrifizierung des Antriebsstranges voran und senken die CO2-Emissionen im Straßenverkehr.“
Gut gelaunt bei der Betriebsbesichtigung: Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall (Mitte) zusammen mit (von links nach rechts): Mario Kläs, stellvertretender BR-Vorsitzende ZF Saarbrücken, Matthias Scherer, BR-Vorsitzender ZF Saarbrücken, Anke Rehlinger, Ministerin des Saarlandes für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr sowie Patrick Selzer, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Saarbrücken. (Foto: BeckerBredel)
Die Zielsetzung ist ambitioniert: Bereits in zehn Jahren, so die Planungen des Unternehmens, sollen 80 Prozent der Getriebe, die in Saarbrücken hergestellt werden, Hybridvarianten sein. „Wir produzieren derzeit rund 2,5 Millionen Getriebe im Jahr“, sagt Matthias Scherer, „daran sieht man: Die Umstellung wird ein enormer Kraftaufwand.“ Auf die 8500 Beschäftigten, die derzeit am Standort arbeiten, kommt ein tiefgreifender Wandel zu.
Wie dieser Wandel ausschaut, was er bedeutet, vor allem: wie er im Sinne der Beschäftigten gestaltet werden kann, davon wollte sich Jörg Hofmann vor Ort ein Bild machen. „Das Unternehmen investiert in die Zukunft und hat mit seinem Hybridgetriebe ein neues, zukunftsträchtiges Produkt entwickelt“, so der Erste Vorsitzende bei seiner Besichtigung der Hybridmontage bei ZF in Saarbrücken.
Damit allein aber seien die Herausforderungen noch nicht bewältigt. „Tätigkeitsprofile werden sich erheblich ändern, die Kolleginnen und Kollegen müssen sich auf teils ganz neue Qualifikationsanforderungen einstellen.“ Dazu seien zuallererst die Unternehmen verpflichtet. Aber auch die Politik sei gefordert, den Prozess der Transformation zu flankieren. „Es wird auch einer aktiven Arbeitsmarktpolitik bedürfen“, so Jörg Hofmann. „Hier sind auch neue Instrumente gefordert, wie ein Transformations-Kurzarbeitergeld.“
Die politische Flankierung ist elementar - denn der kommende Wandel wird tiefgreifend sein. „Die Gesellschaft steht vor fundamentalen Umbrüchen“, so der Erste Vorsitzende der IG Metall. Die Transformation werde die Art, wie wir leben und arbeiten komplett verändern. „Unser Anspruch ist: Wir wollen die Transformation im Sinne der Beschäftigten gestalten. Und das werden am 29.6 vor dem Brandenburger Tor Tausende Metaller lautstark deutlich machen“, sagt Jörg Hofmann und betont: „Aus technologischem Fortschritt und ökologischem Wandel muss sozialer Fortschritt für alle werden.“ Um aber etwas gestalten zu können, ist es elementar wichtig, einen detaillierten Überblick über das Ausmaß und die Kontur des Wandels zu bekommen – mit dem Transformationsatlas, der derzeit in Hunderten Betrieben überall in der Republik erstellt wird, will die IG Metall die betrieblichen Umbrüche identifizieren und Strategien zur Gestaltung des Wandels erarbeiten.
Bei ZF in Saarbrücken, das wurde an diesem Vormittag deutlich, sind sie mitten im Prozess. Die Konturen des Wandels sind bereits sichtbar. „Die Umbrüche treffen uns gleich doppelt“, erzählt Matthias Scherer. „Erstens kommt der Mobilitätswandel, der zu großen Veränderungen für die Beschäftigten führen wird. Zweitens wird fortschreitende Digitalisierung die Abläufe in der Fabrik grundlegend verändern.“ Beide Entwicklungen haben konkrete Auswirkungen auf die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen am Standort, beide Entwicklungen müssen gestaltet werden: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Beschäftigten neue Fertigkeiten erwerben und geforderte Kompetenzen entwickeln können“, sagt Matthias Scherer.
Die Qualifikation der Beschäftigten auszubauen, ist elementar wichtig – nur auf diese Weise wird der Wandel zu meistern sein: 4500 Menschen arbeiten bei ZF in Saarbrücken in der Getriebeproduktion, an zwei Montagelinien wird derzeit das Hybridgetriebe gefertigt, weitere Montagelinien sind bereits in Planung. Zukünftig, so die Hoffnung, so das Ziel, wird nahezu die gesamte Mannschaft in der Fertigung der Hybridgetriebe eingesetzt werden. Das bedeutet aber, dass nahezu die komplette Mannschaft für die neue Fertigung qualifiziert werden muss. „Für Hybridmotoren ist ein größerer Montageaufwand notwendig“, sagt Matthias Scherer. „Die Kolleginnen und Kollegen müssen lernen, wie sie die E-Module im Getriebe verbauen. Da entstehen neue Qualifikationsanforderungen.“
Diese kommen nicht nur auf Beschäftigte an den Montagelinien zu. „Die Digitalisierung verändert die Abläufe in der gesamten Fabrik, auch die indirekten Bereiche“, sagt Matthias Scherer. Absehbar sei, dass sich ebenso die Tätigkeiten in Büros und in fertigungsnahen Bereichen wie etwa dem innerbetrieblichen Transport in den kommenden Jahren grundlegend wandeln werden. „Wir brauchen deshalb vorausschauende Qualifizierungskonzepte für alle Beschäftigte, auch für leistungsgeminderte Kolleginnen und Kollegen, damit niemand unter die Räder gerät.“
Die enorme Bedeutung nachhaltiger Qualifizierungskonzepte betont auch Jörg Hofmann. „Erste Trends unseres Transformationsatlas zeigen: Viele Betriebe sind für die Transformation nicht einmal ansatzweise gerüstet“, so der Erste Vorsitzende der IG Metall bei seiner Werksbesichtigung in Saarbrücken. „Die Unternehmen müssen dringend strategischer planen - beim Personal und bei ihren Produkten.“