Mandy Anding, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende VW Sachsen: Die Fabrik wird bei laufender Produktion umgebaut. Das heißt, ein Teil der Mannschaft baut noch den Golf Variant während ein anderer schon den ID.3 fertigt. Es gibt aber auch Überschneidungen.
Der Mannschaft wird jede Menge abverlangt. Es kommt zu Personalverwirrbelungen, die ursprünglichen Teamkonstellationen haben keine Konstanz mehr. Das bedeutet, dass sich für einige das ganze soziale Umfeld ändert und das mitunter nicht nur ein Mal im Prozess. Darüber hinaus hatten wir während der Umbauphase Personalüberhänge zu steuern.
Uns ist es gelungen mit dem Arbeitgeber eine Regelung zu verhandeln, durch welche die Umbauzeiten nicht ausschließlich zu Lasten der Mannschaft gehen, sondern es eine faire Verteilung gibt.
Produktion des ID.3 in Zwickau. (Foto: Volkswagen AG)
Zum einen hilft uns dabei, dass die IG Metall in der letzten Tarifrunde die Wandlung des tariflichen Zusatzgeldes in 8 freie Tage für 3-Schichter und Beschäftigte mit speziellen Betreuungsaufwand durchsetzen konnte. Betrieblich konnten wir die Wandlungsmöglichkeit in 6 freie Tage für alle Kolleginnen und Kollegen durchsetzen. Dadurch können wir einiges abfedern.
Gleichzeitig haben wir ein neues Zeitkonto eingeführt, das nur zur Hälfte zu Lasten des Arbeitnehmers geht. Die andere Hälfte muss der Arbeitgeber tragen. Außerdem ist das Konto gedeckelt.
Vor allem durch die gute Zusammenarbeit innerhalb der Betriebsräte der VW Standorte in Deutschland. Die IG Metall Fraktionen der Standorte arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen. In Zwickau hilft uns die Kapazitätssteigerung. Künftig rollen gut 330.000 Autos vom Band, statt zuvor 300.000.
Es gibt auch bei uns im Werk Bereiche da bleibt alles gleich. Zum Beispiel werden wir weiterhin die Karossen für Bentley und Lamborghini bauen.
An anderer Stelle, zum Beispiel im Karosseriebau fallen dafür einfachere Tätigkeiten wie das Einlegen weg. Denn bei der Karosseriefertigung für den ID.3 wurde einiges automatisiert. Wir haben jetzt knapp 1600 Roboter im Einsatz. Dafür brauchen wir aber mehr Anlagenfahrer, also Beschäftigte, die die Maschinen steuern und überwachen.
Nicht alle Einleger werden Anlagenfahrer. An einigen Stellen haben wir uns dafür eingesetzt, dass auch einfache Tätigkeiten weiterhin Bestand haben.
Die rund 200 zusätzlichen Anlagenfahrer, die perspektivisch im Werk zum Einsatz kommen werden, werden über mehrere Wochen bis hin zu Monaten auf die neue Technik geschult. Zudem haben 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Expertenschulung über bis zu 24 Monate zum Thema Elektrik/ Elektronik erhalten und 150 Kolleginnen und Kollegen wurden über 18 Wochen zu Elektrofachkräften geschult.
Sicherlich gibt es bei Volkswagen eine andere Mitbestimmungskultur als in vielen anderen Unternehmen, doch wir fordern uns unser Mitspracherecht auch immer wieder ein. Der Umbau ist ein großer Kostenfaktor und natürlich versucht ein Unternehmen die Leute möglichst wertschöpfend einzusetzen.
Aber das funktioniert nicht einfach so. Bei 8000 Menschen sind wir auch nur ein Spiegel der Gesellschaft. Da gibt die unterschiedlichsten Interessenlagen, ob das nun Fragestellungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der Einsatz von Kolleginnen und Kollegen mit gesundheitlichen Einschränkungen sind. Es ist unser Job aufzupassen, dass jeder nach dem Umbau seinen Platz findet und keiner hinten runter fällt.
Den Arbeitgebern geht es bei Transformation und Automatisierung um die Steigerung von Effizienz und Produktivität. Das Thema Ergonomie spielt nur teilweise eine Rolle. Damit das Thema Automatisierung aber für den Menschen genutzt wird und ihnen die Arbeit erleichtert, müssen wir als Betriebsrat häufig einfordern.
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besuchen eine Tagesveranstaltung namens „Change Convention“. Hier können sie die neuen Komponenten anschauen und erfahren, wie der Umbau abläuft und wie das neue Auto funktioniert. Bislang besuchte rund die Hälfte der Beschäftigten dieses Event, die andere Hälfte folgt bis Ende des Jahres. Immer 70 pro Veranstaltung.
Wir hatten BVs, die wir bewusst zum Thema Elektromobilität durchgeführt haben. Wir luden dazu Experten ein, um aufzuklären und mit einigen Mythen aufzuräumen. Denn viel stimmt hier eben nicht oder wird stark dramatisiert. Zum Beispiel bei der Ladezeit: Wer von Zwickau von Amsterdam fährt, muss zwischendurch den Akku nur 35 Minuten laden. Dass bei dieser Strecke von über 700 Kilometern eine halbe Stunde Pause ganz guttut, das kann wohl jeder nachvollziehen.
Fast immer gut. Für die Belegschaft wird so das Thema Elektromobilität fassbarer. So ist es leichter sich darauf einzulassen.
Manche in der Mannschaft machen sich Sorgen, ob das Auto denn auch gekauft wird. Vor allem machen sie sich deshalb sorgen, weil die Ladeinfrastruktur noch nicht ausreichend zur Verfügung steht, weil sie zum Beispiel zuhause keine Ladesäule in der Nähe haben.
Bei der E-Mobilität muss man umdenken. Man fährt nicht mehr zum Tanken. Das Tanken kann zum Beispiel während des Einkaufens auf dem Parkplatz des Supermarkts miterledigt werden. Oder in der Parkgarage des Arbeitgebers, während man auf Arbeit ist. So muss nicht jeder zuhause seine eigene Ladestation haben. Aber es stimmt schon, die Politik muss beim Thema Ladeinfrastruktur noch deutlich nachlegen.
Du musst den Prozess schon sehr intensiv mitbetreuen und genau gucken, was da gemacht wird. Die wichtigsten Themen dabei sind natürlich Beschäftigungssicherung, Qualifizierung und Ergonomie, damit es nicht zu Lasten der Beschäftigten geht. Aber auch die Entgeltsicherung muss man auf dem Schirm haben, wenn Beschäftigte durch den Veränderungsprozess den Job wechseln müssen.