Trotz der Corona-Pandemie startet am kommenden Donnerstag in Baden-Württemberg als letzter Region die dritte Runde der Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektroindustrie. Jörg Hofmann, der Vorsitzende der IG Metall, begründet das: „Es wäre Wahnsinn, auf Tarifverhandlungen zu verzichten, wenn es um die Themen geht, die gerade jetzt die Menschen zu Recht bewegen: Beschäftigungssicherung, Zukunft der Arbeitsplätze, stabile Einkommen.“
Jörg Hofmann: Wir müssen die Einkommen stabilisieren, mindestens die Inflationsverluste 2020 und 2021 ausgleichen. Wie sollen wir aus der Konjunkturkrise herauskommen, wenn die private Nachfrage nicht stabil bleibt? Die IG Metall hat 2020 angesichts des Kriseneinbruchs auf eine Entgelterhöhung verzichtet. Wir hatten Kurzarbeit, Schichtzuschläge sind ausgefallen, die Arbeitszeit wurde reduziert – alles zu Lasten der Einkommen der Beschäftigten. Es geht um eine faire Verteilung der Krisenlasten.
Das hängt sehr davon ab, ob die Konjunktur den deutlichen Aufwärtstrend fortsetzt, den wir im dritten und vierten Quartal 2020 hatten. Derzeit gibt es einen Dämpfer, teils durch den erneuten Lockdown, teils durch die instabilen Lieferketten im Halbleiterbereich. Ich gehe davon aus, dass sich das über Ostern auswächst und dass sich der Wachstumspfad im zweiten Halbjahr deutlich fortsetzt.
Ihre offiziellen Verlautbarungen hören sich so an. Davor kann ich nur warnen. Wir waren bisher sehr erfolgreich in der Krise, indem wir versucht haben, gemeinsam Lösungen zu finden. Wer meint, die aktuelle Lage nutzen zu müssen, um soziale und tarifliche Rechte abzubauen, ist auf dem falschen Weg. Wenn die Arbeitgeber den Tarifkonflikt eskalieren wollen, müssen sie so weitermachen.
Wir haben von vornherein gesagt, dass es uns um drei Dinge geht. Zum ersten um die Beschäftigungssicherung. Wir brauchen Instrumente, um über einen längeren Zeitraum ein sinkendes Arbeitsvolumen so zu verteilen, dass keine Leute entlassen werden. Hier steht der Vorschlag der 4-Tage-Woche. Zum zweiten stehen Zukunftstarifverträge auf unserer Agenda. Die Unternehmen müssen Perspektiven für Investitionen, Produkte und Prozesse aufzeigen und was sie für die Beschäftigung bedeuten. Dazu gehört auch die Zeit für Qualifizierung. Großbetriebe sind da weiter. Aber gerade kleine und mittlere Unternehmen haben oft noch keine klaren Vorstellungen.
Ohne stabile Einkommen lassen sichbeschäftigungssichernde Maßnahmen nicht erträglich gestalten. Die Haushalte verkraften es nicht, wenn die Einkommen durch sinkende Arbeitszeit zurückgehen.
Nein. Warum sollten wir ein solches Machtungleichgewicht akzeptieren? Tarifverträge schaffen Balance. Wenn nötig kann die IG Metall auch dazu aufrufen, die Arbeit niederzulegen. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gerade bei Zukunftsfragen ist dagegen mehr als dünn. Wenn die Arbeitgeber konsequent wären, müssten sie dann auch eine Ausweitung der Mitbestimmung durch die Verbesserung der Betriebsratsrechte bei Investitionen, Innovationen und Qualifizierung fordern. Von einer solchen Initiative habe ich noch nichts gehört.
Nein. 2020 gab es keine Tariferhöhung. In diesem Jahr brauchen wir sie, weil sonst die Arbeitnehmer einen Verlust bei den Reallöhnen erleiden. Das wäre kontraproduktiv. Nicht nur konjunkturell, sondern auch mit Blick auf eine gerechte Verteilung der Krisenlasten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Die Textilbeschäftigten hatten 2020 eine Tariferhöhung von 2,3 Prozent, die Metaller gar keine. Und die Textilbeschäftigten bekommen bis 2022 insgesamt 2,7 Prozent hinzu.
Das war kein erstes Angebot. Bei Beschäftigungssicherung und Zukunftsvereinbarung gab es nur Worthülsen, und bei der Lohnerhöhung heißt es nur, vielleicht gibt es irgendwann 2022 irgendwas. 2021 sollen die Beschäftigten leer ausgehen. Die IG Metall wird sich in einer konjunkturellen Situation, in der wir offensichtlich aus der Krise herauskommen, nicht mit einem langen Tarifvertrag binden lassen. Wir wollen eine kurze Laufzeit.
Es gibt ausreichend viele Betriebe, die gut ausgelastet sind. Bei denen wirkt ökonomischer Druck. Angesichts von Corona wird es sicher keine ganz großen Versammlungen vor den Betrieben geben, Aber wer arbeitet, kann auch nicht arbeiten. Und zu diesen Warnstreiks werden wir dann aufrufen.
Passen Arbeitgeber in die Zeit, für die offensichtlich die Nöte und Interessen der Beschäftigten keine Priorität haben? Da hilft allein argumentieren offensichtlich wenig. Wenn sich am Verhandlungstisch nichts bewegt, bleibt der IG Metall kein anderer Weg.
An uns auch nicht. Solange die Arbeitgeber allerdings darauf bestehen, dass es 2021 keine Tariferhöhung geben darf, werden wir keinen Abschluss finden.
Erst einmal ist die IG Metall im Osten dazu bereit. Da wird sie auch die Solidarität der Kollegen in Westdeutschland erleben. Aber wir können in Baden-Württemberg oder NRW keine Tarife für den Osten aushandeln. Ich bin guten Mutes, dass wir entweder in der Fläche oder in einzelnen Betrieben zu Lösungen kommen.
Das Interview ist am 20. Februar 2021 in der Südwestpresse erschienen. Autor: Dr. Dieter Keller
weitere Informationen und Pressebilder von Jörg Hofmann