23. September 2024
PRESSEMITTEILUNG
ALSTOM: Outsourcing in Niedriglohnländer anstelle von Investitionen in die Zukunft
Deutsches Management verstößt weiter mit Entlassungen gegen den Zukunftstarifvertrag +++ Gerichtstermin zum Zukunftstarifvertrag Mitte Oktober in Frankfurt/Main +++ IG Metall fordert das eingebrachte Urlaubsgeld der Beschäftigten zurück

Frankfurt am Main – Nach Ansicht von IG Metall und Gesamtbetriebsrat verstößt ALSTOM mit der Durchführung seines jüngsten Abbauprogramms von über 90 Stellen in den indirekten Bereichen von zwölf Betrieben abermals gegen den Zukunftstarifvertrag, der sechs dieser Betriebe erfasst. Der Zukunftstarifvertrag wurde zwar vor über vier Monaten von der IG Metall gekündigt, das Unternehmen pocht aber auf dessen Gültigkeit, um das Geld der Beschäftigten weiter einbehalten zu können. Für die IG Metall und den Gesamtbetriebsrat ist dieser Stellenabbau ein weiterer Beleg, dass ALSTOM nie vorhatte, die deutschen Standorte tarifvertragsgerecht wieder fit für die Zukunft zu machen und mit neuen Aufträgen zu versorgen. Um das Urlaubsgeld auch weiterhin einbehalten zu können, hat ALSTOM gegenüber der IG Metall eine Verbandsklage eingereicht. Mitte Oktober ist der erste Termin vor Gericht zur Frage, ob die Kündigung rechtmäßig war. Das Unternehmen hofft offenbar, sich so vor tausenden Klagen der Beschäftigten auf Auszahlung ihres Urlaubsgelds drücken zu können.

Darüber hinaus hat das Unternehmen Ende September erneut industrielle Weichenstellungen angekündigt, von denen die Betriebe Hennigsdorf, Mannheim, Görlitz und mögliche weitere Standorte betroffen sein sollen. Hennigsdorf soll nach den Planungen weitestgehend seine Fertigung von Neufahrzeugen verlieren, Mannheim seine Produktion ganz. Der Betrieb Görlitz, der für 175 Jahre Bahntradition steht, soll verkauft werden. Die Rohbau-Fertigungskompetenz dieses Standorts wird damit aufgegeben. Die ALSTOM-Strategie, massiv in den sogenannten Best Cost Countries zu investieren, um dort produzieren zu lassen, führt nach Ansicht der IG Metall und des Gesamtbetriebsrats zu deutlich mehr Verzögerungen und Qualitätsmängeln im Vergleich zu anderen Branchengrößen. Diese Defizite haben die Beschäftigten in den deutschen Werken auszugleichen, teils mit erheblichem Mehraufwand und einem entsprechenden negativen Ergebnis hierzulande.

Aufgrund der Untätigkeit des Arbeitgebers fordert die IG Metall das im Zukunftstarifvertrag eingebrachte Urlaubsgeld der Beschäftigten zurück: Rund 3.500 Beschäftigte haben dazu sogenannte Geltendmachungen eingereicht, die als Klagen bei den zuständigen Arbeitsgerichten anhängig sind. Das deutsche Management hatte schon Ende Mai angekündigt, das eigentlich im Juni fällige Urlaubsgeld nicht auszahlen zu wollen. Dies hätte anteilig oder ganz geschehen müssen, wenn, wie im Tarifvertrag festgelegt, bestimmte Produktivitätswerte erreicht wurden. Dem Unternehmen gelang es zudem aber bisher für das letzte Geschäftsjahr (04/2023 bis 03/2024) nicht, das mögliche Payback tarifvertragsgemäß plausibel zu berechnen. Da für eine Rückzahlung nicht die erforderlichen Rückstellungen gebildet wurden, war die Rückzahlung von ALSTOM offenbar auch nie vorgesehen. Darüber hinaus zahlte ALSTOM das Tarifliche Zusatzgeld B (T-ZUG B) im Juni mit Verweis auf die finanzielle Situation nicht an die Beschäftigten aus. Diese tarifliche Leistung sollte aber beim Abschluss des Zukunftstarifvertrages und vom Arbeitgeber akzeptiert gerade nicht zu den Abgaben der Beschäftigten zählen.

René Straube, Gesamtbetriebsratsvorsitzender ALSTOM: „Heute ist klar, das war alles nur Hinhaltetaktik: Das Management hat vordergründig einige Symbolhandlungen gemäß Zukunftstarifvertrags vollzogen und hinter den Kulissen seine ganz eigene Agenda für Deutschland weiterverfolgt. Das hat gegenüber dem Gesamtbetriebsrat und gegenüber den Belegschaften mutwillig die Vertrauensbasis massiv beschädigt. Damit sind wir auf dem Weg in eine harte Auseinandersetzung.“

Jochen Homburg, Verhandlungsführer IG Metall: „Die Bahn ist Zukunft. Es gibt kein besseres Massentransportmittel, das die Umwelt und gleichzeitig die Ressourcen schont. Es ist unverständlich, dass sich ALSTOM in solch einem Zukunftsmarkt derart gegen die eigenen Beschäftigten und deren Vertreter stellt. So bringt man sich selbst um seine Chancen und die Beschäftigten um ihren berechtigten Lohn.“

Der Zukunftstarifvertrag betraf die sechs Betriebe Hennigsdorf mit Hennigsdorf Drives, Görlitz, Bautzen, Siegen und Kassel. Um die Standorte und Arbeitsplätze zu sichern, hatten sich die Beschäftigten darauf eingelassen, finanzielle Beiträge – im Wesentlichen ihr Urlaubsgeld – zunächst als Versicherung einzubringen. Das Unternehmen hatte sich im Gegenzug verpflichtet, Investitionen in die deutschen Standorte zu tätigen, um sie nach den Jahren der Vernachlässigung wieder wettbewerbsfähig zu machen. Dies wurde von ALSTOM aber nicht wie vorgesehen umgesetzt. Die IG Metall sah sich daraufhin gezwungen, den Tarifvertrag zu kündigen und fordert nun das einbehaltene Geld der Beschäftigten zurück. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall erhob gegen die seiner Ansicht nach unrechtmäßige Kündigung Klage. Die durch Untätigkeit von ALSTOM erzwungene Kündigung eines Zukunftstarifvertrags durch die IG Metall ist bisher beispiellos.


IG Metall Vorstand
Artur Siemens
Pressesprecher

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