Frankfurt am Main – Die IG Metall hat im Jahr 2015 erneut eine positive Mitgliederentwicklung vorzuweisen. „Damit sind wir zum fünften Mal in Folge gewachsen. Diesen Mitgliederzuwachs verdanken wir dem positiven Image unserer Gewerkschaft und dem großen Engagement der vielen aktiven Mitglieder“, sagte Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, am Mittwoch in Frankfurt.
Zum Ende des Jahres 2015 lag die Zahl der Mitglieder bei 2,274 Millionen. „Insgesamt sind 120.568 Mitglieder neu eingetreten und stehen für die positive Bilanz. Besonders freuen wir uns darüber, dass die Zahl der betrieblichen Mitglieder auf 1,567 Millionen Mitglieder gestiegen ist – und damit auf den höchsten Stand der vergangenen zehn Jahre“, sagte Hofmann. Um diese Erfolge fortzusetzen, stelle die IG Metall konsequent die Digitalisierung der Arbeitswelt in den Mittelpunkt. „Wir müssen die digitale Arbeitswelt erobern – sie ist keine uneinnehmbare Festung von Technokraten und Profitinteressen“, sagte Hofmann. Der Standort Deutschland müsse auf qualifizierte Tätigkeiten setzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Zwingend erforderlich sind ein breiterer Zugang zu Bildung und der Ausbau von Mitbestimmungsrechten in den Betrieben. Das ist unsere Antwort auf die Herausforderungen der Digitalisierung.“
Als weitere Schwerpunkte der nächsten Monate sieht der IG Metall-Vorsitzende die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie sowie die über 40 Tarifrunden in anderen Branchen der Industrie und des Handwerks. „Die stabile wirtschaftliche Situation, wie sie allseits konstatiert wird, wird auch 2016 vor allem vom privaten Konsum getragen. Daher gibt es keinen Grund, von der verlässlichen Einkommenspolitik der IG Metall abzuweichen.“ Die IG Metall werde auf eine Erhöhung der Realeinkommen setzen, die der guten Ertragslage der Unternehmen angemessen ist. Gleichzeitig werde die IG Metall in der Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie erstmals sehr gezielt nicht tarifgebundene Betriebe einbeziehen. „In den vergangenen Jahren ist es uns gelungen, die Tarifbindung zu stabilisieren. Nun gilt es den “Turnaround„ in der Tarifbindung zu schaffen“, sagte Hofmann.
Hofmann nutzte die Gelegenheit auch zu einer Mahnung an die Politik: „Wir erwarten von der Bundesregierung, was jeder Beschäftigte täglich leisten muss – dass sie bis zum Schichtende arbeitet.“ In den 18 Monaten bis zur Bundestagswahl seien noch viele Zusagen des Koalitionsvertrages einzulösen. Der Gewerkschafter verwies auf noch ausstehende Regelungen beim Rückkehrrecht aus Teilzeit, Entgeltgleichheit und der Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge. „Außerdem muss das Gesetz zu Leiharbeit und Werkverträgen nun endlich Realität werden.“ Die IG Metall begrüße die Zusagen von Kanzlerin Angela Merkel und Arbeitsministerin Andrea Nahles, dies trotz des Gezeters aus den Reihen der Arbeitgeber und des Wirtschaftsflügels der CDU/CSU zu tun. „Ich setze auf die Vernunft derer, die tarifpolitische Verantwortung in den Arbeitgeberverbänden tragen, dass wir endlich zu Lösungen kommen“, sagte der IG Metall-Vorsitzende.
Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, erläuterte die Mitgliederzuwächse im Einzelnen: „42 Prozent der neuen Mitglieder sind junge Beschäftigte bis 27 Jahre. Damit ist die IG Metall mit rund 233.000 jungen Mitgliedern nach wie vor die größte politische Jugendorganisation in Deutschland.“ Seit 2005 habe sich die Zahl der studierenden Mitglieder auf mehr als 31.000 verdreifacht. Bei den Angestellten stieg die Zahl der Mitglieder im Vorjahresvergleich um fast zwei Prozent – und bei den Frauen um fast ein Prozent. Die erfolgreiche Mitgliederentwicklung sei kein Selbstläufer sondern harte Arbeit. „Hinter jedem neu aufgenommenen Mitglied stehen zwei oder drei persönliche Gespräche“, sagte Benner. Um die erfolgreiche betriebsnahe Arbeit zu verstetigen, werde die IG Metall in den kommenden neun Jahren 191 Millionen Euro in Mitgliederentwicklungsprojekte vor Ort investieren. „Wir werden die Zielgruppenarbeit noch stärker ins Zentrum unserer Arbeit rücken.“
Gravierende Umbrüche sieht die Gewerkschafterin auch im Einzug von Crowdworking in die Arbeitswelt. Wenn Aufträge über digitale Plattformen vergeben werden, sei dies mit erheblichen Risiken für die Beschäftigten verbunden, weil diese Arbeitsform bisher nicht reguliert sei. Die Plattformbetreiber könnten somit die Arbeitsbedingungen nach ihren eigenen Vorstellungen bestimmen. „Wenn wir dagegen nichts unternehmen, öffnet das einem Unterbietungswettbewerb bei den Arbeitsbedingungen Tür und Tor. Wir wollen keine Amazonisierung der Arbeitswelt“, sagte Benner. Die IG Metall sei nicht gegen Crowdworking, aber „wir akzeptieren nicht, dass reguläre durch prekäre Beschäftigung ersetzt wird.“ Die Gewerkschafterin verwies auf die im Mai 2015 gestartete Informationsplattform www.faircrowdwork.org, die Crowdworker zum Austausch und zur Vernetzung vielfältig nutzten. Zudem könnten Soloselbständige auch Mitglied der IG Metall werden.
Gleichzeitig wies Benner auf die nach wie vor eklatante Entgeltdifferenz von 22 Prozent zwischen Frauen und Männern hin. Mit der Initiative „Auf geht’s – Faires Entgelt für Frauen“ wolle die IG Metall Betriebsräte unterstützen, Entgeltlücken zu finden und zu schließen. Das geplante Gesetz zur Entgeltgleichheit sei zu begrüßen, „allerdings ist die geplante Ausnahme von Betrieben mit weniger als 500 Beschäftigten nicht akzeptabel“, kritisierte Benner.
„Die IG Metall ist finanziell gut aufgestellt und jederzeit handlungsfähig“, sagte Jürgen Kerner, Hauptkassierer der IG Metall. Im Jahr 2015 stiegen die Beitragseinnahmen der IG Metall um 3,4 Prozent auf 533 Millionen Euro. Das stabile finanzielle Fundament basiere auf guter Mitgliederarbeit, fairen Tarifergebnissen und solidem Controlling. „Wir setzen auf unsere Arbeit vor Ort. Die Kraft der IG Metall geht von den Vertrauensleuten und Betriebsräten in den Betrieben sowie der ehrenamtlichen Arbeit in den 155 Geschäftsstellen aus“, betonte der Gewerkschafter.
Die Bildungsarbeit habe in der IG Metall ein hohes Gewicht. Im Jahr 2015 nutzten über 90.000 Mitglieder die gewerkschaftlichen Bildungsangebote. „Investition in Bildungsarbeit ist Investition in die Zukunft der IG Metall“, betonte Kerner. Deshalb habe die Gewerkschaft im Oktober 2015 beschlossen, ein Lehrgebäude auf dem Frankfurter Universitätsgelände in enger Kooperation mit der Europäischen Akademie der Arbeit, der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen zu errichten. Im neugebauten „House of Labour“ sollen Fach- und Nachwuchskräfte aller Branchen studieren und zum Beispiel ihr personalwirtschaftliches und arbeitsrechtliches Wissen erweitern können. Auch MBA-Studiengänge seien geplant.