Frankfurt/Main – Die IG Metall hat das Schwarzbuch Leiharbeit vorgestellt. Damit will die Gewerkschaft auf die Missstände bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern aufmerksam machen. „Persönliche Schicksalsberichte zeigen so ausdrucksvoll, wie es Zahlen und Grafiken kaum leisten können, was Leiharbeit für die Betroffenen bedeutet“, sagte Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, am Donnerstag in Frankfurt.
Das Buch enthält neben den Ergebnissen einer Befragung von 36.000 Mitgliedern in Leiharbeit im November 2011, Daten und Fakten zur Leiharbeit in Deutschland. Mehr als 1.000 Befragte schilderten zusätzlich ihre alltäglichen Erfahrungen. „Erstmals berichten Betroffene authentisch und in eigenen Worten, wie sie ihre Situation als Leiharbeitnehmer erleben“, sagte Wetzel. Das Buch richte sich nicht nur an Betriebsräte, sondern auch an Politiker, sowie Vertreter der Arbeitgeberverbände. Diese erhielten in den kommenden Tagen ein persönliches Exemplar des Schwarzbuches Leiharbeit, damit sie sich selbst ein Bild von den Folgen der Leiharbeit machen könnten.
Der Gewerkschafter bezeichnete die Erfahrungsberichte als „erschreckend.“ Wenn Menschen sich selbst als „Leihgurken“ bezeichneten, dann seien sie ihrer Würde beraubt, kritisierte Wetzel. Vielfach würde über Löhne berichtet, die nicht zum Leben ausreichten. „Arbeit sollte uns nicht in die Armut treiben. Ich habe mein Gesicht verloren“, beklagte ein Betroffener. „Sie glauben gar nicht, wie weh es tut, wenn man vorher als Mitarbeiter im selben Betrieb gearbeitet hat, und nun schon über 18 Monate die gleiche Arbeit für die Hälfte weniger Lohn macht“, gab ein weiterer Befragter an.
Leiharbeit diene längst nicht mehr zum Abfedern von Produktionsspitzen, sondern sei eine auf Langfristigkeit angelegte personalpolitische Strategie zulasten von Leiharbeitern, sagte Wetzel. „Mein Leiharbeiterstatus besteht seit nunmehr sechs Jahren bei einer Einsatzfirma. Was hat das mit Auftragsspitzen oder Saisonarbeit zu tun?“, bestätigte ein Leiharbeiter. „Ich mache seit achteinhalb Jahren Leiharbeit, die meiste Zeit im gleichen Großunternehmen, und keine Übernahmemöglichkeit. Soll das die nächsten Jahre bis zur Rente so weitergehen“, fragte ein anderer Betroffener.
Wetzel sieht in den Erfahrungsberichten einen Beleg für die dringende Notwendigkeit einer fairen Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. „Jede einzelne Geschichte erzählt von den Folgen, wenn Arbeit zur Ramschware verkommt.“ Deshalb wolle die IG Metall erreichen, dass Leiharbeit nur zu fairen Bedingungen möglich sei.
In der laufenden Tarifrunde verhandelt die IG Metall mit den Arbeitgeberverbänden der Zeitarbeit über Branchenzuschläge in der Metall- und Elektroindustrie als wichtigem Zwischenschritt zu gleicher Bezahlung für die Leiharbeiter. In den Tarifgesprächen mit den Arbeitgebern der Metall- und Elektroindustrie versuche die Gewerkschaft mehr Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte beim Einsatz von Leiharbeit durchzusetzen.