Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und IG Metall begrüßen die positiven Einschätzungen der Vertreter der EU Kommission, des Großherzogtums Luxembourg und der Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Danach untersteht die Beteiligung der Gewerkschaftsvertreter*innen im Aufsichtsrat auch nach Wechsel der Rechtsform nationalem Recht. Damit folgen sie einer Vorlage dieser Rechtsfrage des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) an den Europäischen Gerichtshof.
Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, sieht die gewerkschaftliche Position bestätigt: „Das ist ein sehr positives Signal für die Rechte der Beschäftigten und die Mitbestimmung insgesamt! Das kann jedoch nur ein Anfang sein, langfristig bedarf es hier weiterer Anpassungen.“
Christoph Meister, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand: „Durch die Plädoyers vor dem Gerichtshof wurde deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Rolle der Arbeitnehmer*innen und auch der Gewerkschaften im Aufsichtsrat auch dann zu wahren ist, wenn Unternehmen ihre Rechtsform ändern. Dies ist begrüßenswert und würde im Ergebnis die Mitbestimmung stärken.“
Der Hintergrund ist ein Antragsverfahren der deutschen Gewerkschaften IG Metall und ver.di gegen das Softwareunternehmen SAP SE. Das deutsche Unternehmen hatte sich im Jahr 2014 von einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht in eine SE umgewandelt. Bei einer solchen Umwandlung wird zwischen einem besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer*innen (BVG) und der Unternehmensleitung darüber verhandelt, wie die Mitbestimmung im künftigen Unternehmen, also der SE, gestaltet wird.
Bei SAP hatte das BVG und das Unternehmen u.a. vereinbart, dass zukünftig der eigenständige Wahlgang für die Vertreter*innen der Gewerkschaften und somit die Beteiligungsgarantie der Gewerkschaften im Aufsichtsrat wegfallen kann.
ver.di und IG Metall halten die entsprechenden Regelungen in der Vereinbarung für nichtig. Das Bundesarbeitsgericht hat sich inhaltlich der Argumentation der beiden Gewerkschaften angeschlossen. Nach seiner Auffassung gehören die im gesonderten Wahlverfahren von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Vertreter*innen der Arbeitnehmer*innen im Aufsichtsrat nach dem deutschen SE-Beteiligungsgesetz zu den prägenden Elementen der Unternehmensmitbestimmung in Deutschland, weshalb gesicherte Sitze und separate Wahlen von Gewerkschaftsvertreter*innen im Aufsichtsrat auch in der durch Umwandlung gegründeten SE sicherzustellen sind. Es sei Sache des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten, die wesentlichen Bestandteile der Mitbestimmung zu definieren.
Im nächsten Schritt nach der mündlichen Verhandlung wird der zuständige Generalanwalt des EuGH, J. Richard de la Tour, am 28. April 2022 seine Schlussanträge im Verfahren stellen. Erst danach verkündet der Gerichtshof sein Urteil. Üblicherweise dauert dies vom Tag der mündlichen Verhandlung an 6 bis 9 Monate.
Unabhängig von dem vorliegenden Verfahren, darf eine SE nicht dazu missbraucht werden, Arbeitnehmer*innen Beteiligungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten. Dies ist jedoch zunehmend der Fall. Die Konsequenzen, die sich aus der Umwandlung von Rechtsformen von Unternehmen ergeben, sind daher zu Recht auch im Koalitionsvertrag der Ampelregierung als Handlungsfeld identifiziert. Die IG Metall und ver.di sehen hier Änderungen im SE-Beteiligungsgesetz als entscheidenden Faktor an, um das Unterlaufen der Mitbestimmung zu verhindern.
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