Berlin – IG Metall und Betriebsräte fordern eine aktive Industriepolitik und eine neue Vergabepraxis bei Aufträgen von Bund, Ländern und Deutscher Bahn im Bahnsektor. Der Preis darf nicht das allein ausschlaggebende Kriterium sein, heißt es in einem heute verabschiedeten gemeinsamen Appell. Vorfahrt müssen ökologische und soziale Kriterien erhalten, damit der Schienenverkehr nachhaltig wird. Die Politik muss nach Überzeugung der Arbeitnehmervertreter den kurzsichtigen, alleinig gewinnfixierten Verlagerungsstrategien der Unternehmen den Boden entziehen und die Voraussetzung schaffen für mehr lokale und nachhaltige Wertschöpfung in Deutschland und Europa. Das angekündigte Tariftreuegesetz kann für eine nachhaltige Vergabepraxis einen wichtigen Beitrag leisten, wenn es richtig umgesetzt wird, ist die IG Metall überzeugt. Bestrebungen, die Bahn AG vom Tariftreuegesetz weitgehend auszunehmen, lehnt die IG Metall darum strikt ab.
Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, betont die Bedeutung der Branche für Wirtschaftsstandort, Beschäftigung und Klimaschutz: „Die Bahnindustrie ist das Rückgrat der Mobilitätswende in Deutschland und damit eine Zukunfts- und Schlüsselbranche. Sie ist ein entscheidender Eckpfeiler zur Umsetzung der nationalen Klimaziele. Hier arbeiten 55.000 qualifizierte und motivierte Beschäftigte in meist gut bezahlten, tariflich abgesicherten Jobs. Neben den Unternehmen selbst ist es Aufgabe der Politik in Bund und Ländern, dieser Branche zukunftsfeste Rahmenbedingungen zu geben. Dazu zählt die Beschaffungspolitik von öffentlicher Hand und Deutscher Bahn.“
Soziale und ökologische Kriterien bei Ausschreibungen stärker berücksichtigen
Die Arbeitnehmervertreter machen sich insbesondere stark für eine neue Vergabepraxis bei Ausschreibungen: weg vom Billigst-, hin zum Bestbieterprinzip. Kostendisziplin sei wichtig, dürfe aber kein Selbstzweck sein, heißt es in dem Positionspapier. „Öffentliche Aufträge dürfen nicht allein auf den niedrigsten Einkaufspreis abzielen, wie dies immer noch gängige Praxis ist. Das hilft weder den Steuerzahlern noch dem Klima.“ Soziale und ökologische Kriterien inklusive des Lebenszykluskosten müssten in der Ausschreibungspraxis deutlich stärker berücksichtigt werden. Dies sei schon heute möglich und durch EU-Recht gedeckt, ebenso eine stärkere Gewichtung regionaler Wertschöpfung bei der Auftragsvergabe: „Es ist sinnvoll und möglich, mindestens 50 Prozent eines Zuges und der Infrastruktur in Deutschland herzustellen (Local Content). Davon müssen Bund und Länder klar Gebrauch machen.“
Verlagerungsstrategien stoppen mit verlässlicher und auskömmlicher Finanzierung
Neben der verfehlten Vergabepraxis kritisieren die Arbeitnehmervertreter die „massive Verlagerungsstrategie vieler Unternehmen der Bahnbranche in Länder mit den vermeintlich geringsten Herstellungskosten“. Angesichts der Anfälligkeit von Lieferketten und allgegenwärtiger Qualitätsprobleme sei dies ein gefährlicher Weg, der schnell ganze Unternehmen in Schieflage bringen kann. Die Politik muss nach Ansicht der Betriebsräte gegensteuern und klare, nachhaltige Ausschreibungskriterien festlegen: „Eine leistungsfähige Bahnindustrie braucht eine langfristig verlässliche und auskömmliche Finanzierung, um einerseits Investitionsanreize und Planungssicherheit und andererseits den Anteil der lokalen Wertschöpfung in Deutschland und Europa zu erhöhen.“
Offensive für Fachkräfte auf den Weg bringen
Um die Bahnindustrie zukunftsfähig aufzustellen, fordern die Arbeitnehmervertreter eine „breite Offensive für Fachkräfte in unserer Zukunftsbranche“, wie es in dem Papier heißt: „Der Bund und die Bundesagentur für Arbeit müssen gute Rahmenbedingungen für Fachkräfte schaffen beziehungsweise bestehende Instrumente zur Qualifizierung besser bekannt machen und diese praxistauglich zur Anwendung bringen.“
Das Positionspapier „Bahnindustrie erhalten und ausbauen – Verkehrswende erfolgreich gestalten“ haben Betriebsräte aus allen großen Unternehmen der Branche unterzeichnet, darunter Alstom, Siemens Mobility und Stadler Deutschland. Verabschiedet wurde es heute im Rahmen einer Branchenkonferenz der IG Metall in Berlin.
Hier das vollständige Positionspapier herunterladen.
Fon: +4969 6693 2872
Mobil: +49160 533 1782