Frankfurt am Main – Der Maschinen- und Anlagenbau hat sich von der Corona-Krise erholt, die Auftragslage ist aktuell sehr gut. Doch die mittelfristigen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland und Weißrussland lassen sich derzeit nur erahnen, kurzfristig sind bereits erste Beeinträchtigungen zu spüren. Daneben gefährden fehlende Ausbildungsplätze und Investitionsausgaben, die nicht der wirtschaftlichen Situation entsprechen, die Zukunftsaussichten. Auch Produktionsverlagerungen und kostenoptimierende Maßnahmen sind weiter auf der Tagesordnung. Damit gefährden die Betriebe die Zukunft der Branche. Das ist das Ergebnis des „Trendmelder 2022“, einer branchenweiten Betriebsrätebefragung der IG Metall, die Betriebsrätinnen und Betriebsräte der Branche diese Woche im Rahmen einer Tagung vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen diskutiert haben.
„Der Maschinen- und Anlagenbau steht nach der Corona-Krise zunächst wieder gut da. Diese Erholung führt bei den Beschäftigten allerdings zu enormem Arbeitsdruck, ohne dass in den Unternehmen personalpolitisch gegengesteuert wird“, fasst Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandmitglied der IG Metall, die zentralen Ergebnisse der Befragung zusammen. Es brauche endlich eine angemessene Personalpolitik. „Der Maschinen- und Anlagenbau muss wieder mehr ausbilden und die Auszubildenden in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernehmen.“ Dies müsse mit einer qualifizierten Personalplanung verbunden werden, die Weiterbildung für alle ermögliche sowie mit mehr Investitionen und Innovationen zur Bewältigung der Transformation, betont Lemb, der in seiner Funktion unter anderem die Branchenarbeit im Maschinen- und Anlagenbau verantwortet.
78 Prozent der befragten Betriebsräte bewerteten in der Befragung die aktuelle Auftragslage als sehr gut oder eher gut. Nach Einschätzung der Betriebsräte wird sich daran kurzfristig nichts ändern, da sich bis auf wenige Ausnahmen, vor allem bei den Landmaschinen, keine zentralen Kunden in Russland, Weißrussland oder der Ukraine befinden. Daher haben insbesondere die größeren Konzerne bereits ihre Geschäfte mit diesen Ländern auf Eis gelegt, ihre dortigen Standorte geschlossen und versuchen, ihre dortigen Beschäftigten zurückzuholen. Die größte Unsicherheit für die Abwicklung der hiesigen Aufträge bereitet aktuell die Logistik: bereits jetzt fehlen den Spediteuren Kraftfahrer, Luftfracht zu versenden wird schwieriger und noch teurer. In Einzelfällen existieren Probleme mit Zulieferteilen bzw. fehlendem ukrainischem Personal. Die größte Sorge ist allerdings, welche Auswirkungen die aktuelle Situation auf das für die Branche so wichtige China-Geschäft haben wird.
Ob der Ukraine-Krieg Auswirkungen auf die Beschäftigtensituation haben wird, ist aktuell ungewiss. In der Befragung hatten noch 41 Prozent mit steigenden Stammbelegschaften in den nächsten zwölf Monaten gerechnet. Bei den Befristeten gingen 15 Prozent und bei den Leiharbeitenden 25 Prozent von einer Steigerung aus. Die ohnehin schon reduzierte Anzahl an Auszubildenden verharrt auf niedrigem Niveau. Trotz Fachkräftebedarf rechnen nur 21 Prozent mit einer Steigerung der Auszubildenden. „Die Betriebe haben aus der Krise nichts gelernt und verschärften durch eigene Fehlentscheidungen ihren Fachkräftebedarf“, warnt Wolfgang Lemb. Zugleich ist der Arbeitsdruck hoch. In 72 Prozent der Betriebe existiert Mehrarbeit, 26 Prozent führen bereits Sonderschichten durch.
Die erwartete Entwicklung von Investitionen und Investitionen in Forschung und Entwicklung hat sich leicht erholt. 20 Prozent der Betriebe planen, die Investitionen zu steigern. Bei 51 Prozent der Betriebe verharren sie auf einem Niveau, bei dem nur 30 Prozent der Befragten die Investitionslage als sehr gut oder eher gut bezeichnen. Wolfgang Lemb: „Die Zukunftsaussichten der Betriebe sind damit weiterhin gefährdet. Das zeigt, wir brauchen in der Branche mehr Zukunftstarifverträge als die aktuell bestehenden oder geplanten 9 Prozent.“
Um die Arbeitsplätze in Deutschlands beschäftigungsstärkster Branche zu sichern, muss nach Überzeugung der IG Metall auch die Politik die Betriebe und ihre Betriebsräte stärker unterstützen: Es braucht Förderungen für KMUs, damit sie die durch die Digitalisierung gebotene Chance angemessen nutzen können. Darüber hinaus benötigen Betriebsräte zusätzliche Optionen, um die zunehmenden und komplexer werdenden Aufgaben bei der Gestaltung der Transformation bewältigen zu können. Wolfgang Lemb: „Es braucht Betriebsräteberatungsfonds und eine andere Regelung der Freistellungsmöglichkeiten für Betriebsräte, vor allem für klein- und mittelständische Betriebe.“
Der Trendmelder ist eine seit 2017 jährlich im Frühjahr von der IG Metall durchgeführte Befragung von Betriebsrätinnen und Betriebsräten im Maschinen- und Anlagenbau. Er erfasst ihren Blick auf die Branche. In diesem Jahr wurde er um Fragen zur Zukunftssicherung ergänzt. An der aktuellen Befragung nahmen mehr als 600 Betriebsräte vom 17. Januar bis 11. Februar 2022 teil. Daher spiegeln die Ergebnisse noch keine möglichen Auswirkungen durch den Krieg in der Ukraine wider.
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