Richard Rohnert: Bildung hatte einen extrem hohen Stellenwert. Nicht nur in der IG Metall, sondern in der Gesellschaft insgesamt. Bei der Eröffnung des Bildungszentrums war sogar der Bundespräsident anwesend. So eine Einrichtung gab es bisher nicht.
Wir wollen mehr Demokratie – in allen Bereichen des Lebens! Diese Idee spiegelt sich auch in der Architektur wider. Das ursprüngliche Gebäude war ein „demokratisches Bauwerk“. Dabei stehen die Lernenden im Mittelpunkt, nicht die Lehrenden. Die Kurse leitet ein Team, nicht einzelne Lehrmeister per Frontalunterricht. So werden verschiedene Perspektiven sichtbar. Alle können und sollen sich einbringen.
In Sprockhövel wurde heiß diskutiert. Gerne auch über die großen, grundsätzlichen Fragen: Welchem Selbstverständnis sind wir als Gewerkschaft verpflichtet? Verstehen wir uns als Gegenmacht oder pflegen wir eine Sozialpartnerschaft? So etwas prägt einen.
Ja. In den Seminaren wird die IG Metall immer wieder neu gegründet. Sprockhövel ist ein emotionaler Bezugspunkt für viele Metaller. Sehr viele, die heute in der IG Metall aktiv sind, waren in Sprockhövel.
Entscheidend war die Nähe zu den Mitgliedern. Im nahen Ruhrgebiet war die IG Metall damals am stärksten. Ein Drittel der Mitglieder wohnte im Umkreis von 100 Kilometern.
Wir bieten Betriebsräten und Vertrauensleuten das Rüstzeug für die betrieblichen Auseinandersetzungen. Es geht um Selbst- und Mitbestimmung. Darum, den eigenen und den gemeinsamen Handlungsspielraum zu erweitern – auch in der Arbeitswelt. Dazu muss man sich auskennen, mit Tarifverträgen, mit dem Arbeitsrecht, mit neuen Technologien. Gut ausgebildete Interessenvertreter nützen allen IG Metall-Mitgliedern. Grundsätzlich kann jedes Mitglied Kurse bei uns belegen, zum Beispiel als Bildungsurlaub.
Die Zukunft ist das sogenannte „Blended Learning“. Also der Wechsel zwischen digitalen Angeboten und Vor-Ort-Seminar. Durch die digitalen Angebote erreichen wir auch neue Beschäftigtengruppen: zum Beispiel den Entwickler aus Süddeutschland, der vielleicht bislang wenig Lust hatte, eine Woche nach Sprockhövel zu fahren.
Nein. Lernen ist ein sozialer und emotionaler Prozess. Persönliche Gespräche am Abend und in den Pausen gehören dazu und sind sehr wichtig. Die Bildungsarbeit ist das Lagerfeuer der IG Metall. Meine Bindung an die IG Metall ist nicht dadurch entstanden, dass ich das Betriebsverfassungsgesetz auswendig kenne, sondern aus dem gemeinsamen Erleben und Lernen. In Sprockhövel kommt die Ingenieurin mit dem Stahlwerker zusammen. So entsteht Gemeinschaftsgefühl.
Wir beziehen die Themen der Transformation in unsere Angebote mit ein. Wir haben zum Beispiel eine Kooperation mit der Lernfabrik der Ruhr-Uni Bochum. Dort lässt sich die Digitalisierung der Produktion erleben – mit allen Fragen, die daraus entstehen.
Mehr zum Thema: Das Jubiläumsprogramm zu „50 Jahre Sprockhövel“ findet Ihr unter igmetall-sprockhoevel.de.