Das Urteil fällt vernichtend aus: „Besser keine Reform als diese“, sagt Hans-Jürgen Urban. Beim geschäftsführenden IG Metall-Vorstandsmitglied löst der Entwurf des Bildungsministeriums zum Berufsbildungsgesetz (BBIG) nur Kopfschütteln aus. Auszubildenden drohen deutlich schlechtere Vergütungen und für dual Studierende sind keine Verbesserungen vorgesehen. Insgesamt fehlen wichtige Impulse zur Qualitätssicherung. Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, betont: „Der Vorschlag ist unambitioniert und in keinem Punkt ein Fortschritt zur Gestaltung zukunftsorientierter beruflicher Bildung.“
Dual Studierenden kommt das Ministerium überhaupt nicht entgegen: Es verpasst die Chance, deren betriebliche Praxisphasen ins Berufsbildungsgesetz aufzunehmen. „Bei dem, was vorliegt, muss die IG Metall leider ein schlechtes Zeugnis ausstellen“, sagt Benner. Dringenden Verbesserungsbedarf gibt es, weil die gesetzlichen und tariflichen Regelungen für Auszubildende bislang nicht für dual Studierende im Betrieb gelten ― und damit auch nicht deren grundlegenden Ausbildungsstandards und Vergütungen.
Auch für Auszubildende müssen bessere Qualitätsstandards greifen: Rund ein Drittel ist mit der Qualität der Ausbildung nicht zufrieden, wie der Ausbildungsreport des DGB zeigt. Wichtig wären eine stärkere Verbindlichkeit von betrieblichen Ausbildungsplänen, Regeln für die Anrechnung von Berufsschulzeiten, Verbesserungen bei Lehrmitteln, Fahrtkostenübernahme zur Berufsschule durch den Arbeitgeber und die gesetzlich geregelte unbefristete Übernahme nach der Ausbildung mit Ankündigungsfristen, wenn nicht übernommen werden kann. Die betriebliche Ausbildung steht generell unter Kostendruck, die Möglichkeiten des Ausbildungspersonals werden immer enger. Wichtig wäre es, die Ausbildereignungsverordnung und die Weiterbildungsansprüche für das Ausbildungspersonal festzuschreiben. Vom Ministerium gibt es zu alldem keine Vorschläge.
Ein Skandal ist für Benner und Urban die vorgesehene Neuregelung zur Mindestausbildungsvergütung: Nach aktueller Rechtsprechung stehen Auszubildenden in nicht tarifgebundenen Betrieben 80 Prozent der tarifüblichen Ausbildungsvergütung zu ― in der Metall- und Elektroindustrie demnach rund 800 Euro im ersten Ausbildungsjahr. Das Bildungsministerium will sich nun aber auf eine neue gesetzliche Untergrenze ― gekoppelt ans Schüler-BAföG ― von 504 Euro brutto festlegen. Das könnte die Rechtsprechung ändern. Auszubildenden in nicht tarifgebundenen Betrieben droht dann eine deutlich schlechtere Vergütung als bisher.
Mit dem Gesetz würde sich für Jugendliche außerdem das Risiko erhöhen, dass Arbeitgeber künftig vermehrt auf zweistufige Ausbildungen setzen. Nach zwei Jahren würde der erste Teil der Abschlussprüfung erfolgen, der Einstieg in die zweite Ausbildungsphase wäre dann nicht mehr gesichert. „Neben einer vollwertigen Berufsausbildung gäbe es dann eine Ausbildung light“, sagt Urban. „Damit werden bewährte Berufsstrukturen zerstört.“