Auf dem Boden sind Abstände markiert. Die IG Metall hat Fahnen, Streikwesten und Masken dabei.
„Für Euch ist das hier ein besonderer Warnstreik. Weil Euer Standort in Gefahr ist“, macht Ingo Petzold, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Bad Kreuznach, klar. Die Unternehmensleitung will über 400 der rund 670 Arbeitsplätze abbauen. Die Fertigung von Bremsen soll verlagert werden, in ein Werk in einem Billiglohnland, das Beschäftigte aus Rheinböllen sogar noch mit aufgebaut haben.
Zwar sollen dafür sogenannte autonom fahrende Transporter (aAGVs) in den Werkshallen produziert werden. Aber ob die in Zukunft genug Arbeit sichern, ist fraglich.
Fast alle Beschäftigten sind mittlerweile in der IG Metall. Auf digitalen Mitgliederversammlungen haben sie Forderungen beschlossen: Zum Ausgleich für den Abbau wollen sie einen Sozialtarifvertrag mit hohen Abfindungen und einer Transfergesellschaft. Außerdem fordern sie einen Zukunftstarifvertrag, mit Investitionen und einem verbindlichen Produktionsvolumen für ihren Standort. Deshalb stehen sie auch besonders hinter der Tarifforderung der IG Metall nach Zukunftstarifverträgen.
„Die Arbeitgeber wollen das nicht“, kritisiert Petzold. „Das haben sie uns in der Verhandlung gesagt: ,Haltet Euch da raus.‘ Sie machen ihre Transformation – und Ihr sollt sie einfach bezahlen, ohne Sicherheiten für Eure Arbeitsplätze.“
Dabei machen sich die Beschäftigten sehr wohl Gedanken über Technik und neue Geschäftsmodelle. „Mit unserem Know-how könnten wir nicht nur aAGVs, sondern auch mobile Robots bauen. Wir haben den Vorteil, dass wir in Rheinböllen ja auch Software entwickeln“, meint Patrick. Er ist Industriemechaniker, Anfang 30, und arbeitet als Einrichter in der Montage. Sein Wissen hat er aus Fachbüchern und Dokus. Er macht sich Sorgen. „Derzeit verkaufen wir die aAGVs nur intern im Continental-Konzern. Und wer weiß, ob die aAGVs dann auch wirklich bei uns industrialisiert werden. Für uns Beschäftigte ist es sehr wichtig zu wissen, womit unser Unternehmen in fünf Jahren Geld verdient.“
„Die Leute hier brauchen eine Zukunft. Hier im Hunsrück gibt es nicht viele Alternativen, da auch andere Betriebe abbauen“, meint Betriebsrätin Christel Meier, die hier seit 30 Jahren in der Produktion arbeitet. Sie hat schon viel erlebt, etwa wie sie schon einmal acht Jahre lang auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichtet haben, um einen besonderen Bremsentyp zu halten. „Aber so schlimm wie jetzt war es noch nie. Viele haben Angst um ihren Arbeitsplatz.“
Auch eine Delegation von Continental im hessischen Babenhausen ist heute Nacht hier. Sie haben bereits gemeinsam mit der IG Metall ihre Schließung und Entlassungen verhindert und viele Arbeitsplätze gerettet.
Die Betriebsräte und IG Metall-Vertrauensleute bei Conti in Rheinböllen sind zufrieden mit dem Warnstreik. Mittags waren sie noch skeptisch, ob das alles klappt.
Die Flammenwerfer hat der Sohn des Betriebsratsvorsitzenden Volker Diel mitgebracht. Er ist Veranstaltungstechniker, Anfang 20. „Highway to Hell“ von AC/DC dröhnt zum Abschluss aus den Boxen. Dazu gibts noch mal meterhohe Flammenfontänen. Zwei Tage später geht es wieder raus zum Warnstreik. Sogar Führungskräfte sind diesmal dabei. Auch sie haben Familien, hier im Hunsrück.
„Die wollen acht Prozent Rendite und dafür bundesweit 13 000 Leute rausschmeißen, gegen unsere Stimmen im Aufsichtsrat“, ärgert sich Verhandlungsführer Uwe Zabel vom IG Metall-Bezirk Mitte, der auch schon in Babenhausen verhandelt hat. Klar: Im Aufsichtsrat hat die Kapitalseite per Gesetz immer eine Stimme mehr als die Arbeitnehmerseite.
Doch die Warnstreiks zeigen Wirkung: Einen Tag später setzt sich Continental endlich mit der IG Metall an den Verhandlungstisch. „Wir wollen bis zum 1. Mai eine Zukunftslösung mit tariflichen Garantien für den Standort und sozialverträgliche Lösungen“, erklärt Zabel. „Nun soll Continental zeigen, ob es ihnen ernst ist mit der Zukunft.“