Olsberg erlebt, was viele ländliche Kommunen erleben: Die Einwohnerzahl sinkt.
Zählte die Stadt Ende 2000 noch 16 195 Einwohner, waren es 2014 nur noch 14 822. Und im Jahre 2030 werden es laut Gemeindemodellrechnung 13 085 sein. Gleichwohl ist die Zahl der Beschäftigten vor Ort samt Einpendler von 2000 bis 2014 um 857 auf 6 222 gestiegen. Die Arbeitslosenquote liegt bereits unter drei Prozent. Händeringend suchen Arbeitgeber neue Arbeitskräfte und klagen darüber, nicht einmal für einfache Tätigkeiten welche zu finden. So kam Helmut Kreutzmann auf die Idee, gute Arbeitgeber auszuzeichnen ― „als Orientierungshilfe für Beschäftigte“.
Zwar gibt es Auszeichnungen dieser Art schon, beispielsweise zertifizieren der TÜV Rheinland, die Internetplattform Kununu und die Hertie-Stiftung gute Arbeitgeber, aber eine Auszeichnung der IG Metall ― die gab’s bislang nicht. Damit betritt die IG Metall Olsberg Neuland. „Wir haben lange darüber im Ortsvorstand diskutiert“, berichtet Helmut Kreutzmann. Gut ist ein Arbeitgeber, wenn er einen Tarifvertrag anerkennt, entweder durch Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband oder dank eines Haustarifvertrags; wenn es in seiner Firma einen Betriebsrat gibt, Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote sowie eine positive Mitgliederentwicklung.
Also streckte die IG Metall die Fühler aus und wurde fündig. Im gesamten Bereich der Geschäftsstelle, von Marsberg über Brilon und Olsberg bis Winterberg, Hallenberg und Medebach, quer durch alle Branchen. „Gute Arbeitgeber“ können sich jetzt elf Firmen nennen (für vier Jahre): ABB, Biederbick, ETS, Kusch Co, Küster Automotive, Ladenbau Körling, Mayr-Melnhof Hüttemann, Olsberg, Oventrop, Paul Witteler und Schmidt Aufzüge. Weitere Firmen werden folgen.
Eine Auszeichnung genügt nicht, um jungen Menschen den östlichen Hochsauerlandkreis als attraktiven Arbeits- und Lebensraum zu präsentieren. „Kommt ein 17-Jähriger am Bahnhof in Olsberg an und schaut auf sein Handy“, sagt IG Metall-Sekretär André Geiger, „sieht er nur zwei Balken. Was macht er? Er steigt wieder ein und fährt zurück.“ Um eine ländliche Region für Fachkräfte attraktiv zumachen, bedarf es mehr als ein paar „gute Arbeitgeber“.
Also lud die IG Metall für Ende Oktober Arbeitgeber und Betriebsräte, Politiker und Bürgermeister, die Agentur für Arbeit und das Berufskollegs zur Beratung ein. Und alle kamen! „Ich war echt überrascht“, sagt Helmut Kreutzmann. „Bei einer Premiere weißt Du ja nie, ob’s klappt.“ Moderiert vom Arnsberger Regierungspräsidenten a. D. Prof. Gerd Bollermann veranstaltete man im Rathaus ein „World Café“ (das ist eine Workshop-Methode zur Lösung eines gemeinsamen Problems, eine Art Brainstorming). Ausgangspunkt der Ideenfindung war die Frage, was Beschäftigte bewegt, ins Sauerland zu ziehen. Es braucht Kindergärten und Schulen, Ärzte und Krankenhäuser, bezahlbare Mieten und günstiges Bauland, Freizeit- und kulturelle Angebote, ein gutes Image-Marketing, einen gut funktionierenden Öffentlichen Nahverkehr und gute Arbeitsbedingungen.
Darunter kann Vieles verstanden werden: unbefristete Arbeitsverträge, flexible Arbeitszeiten, Auszubildenden-WGs, ein Jobticket oder ein Shuttle zwischen Wohnort und Firma. „Es gibt viele gute Ideen“, sagt Helmut Kreutzmann. „Jetzt kommt’s darauf an, sie geschickt miteinander zu verknüpfen.“ Dass diese Aufgabe für die IG Metall allein zu groß ist, weiß er: „Unsere Aktion soll eine Initialzündung sein.“ Die Firmen können jetzt mit ihrer Auszeichnung werben. Sie wurde ihnen nach der Beratung im Rathaus in Form einer kleinen Tafel ausgehändigt ― inklusive Schrauben und Dübel.