1. Februar 2021
Dirk Erb
Zu Besuch
48 Jahre geackert für die Beschäftigten
48 Jahre lang hat Heinz Knue als Jugendvertreter und Betriebsrat für seine Kolleginnen und Kollegen geackert und jedem rund 100 000 Euro gesichert. Jetzt ist er in Rente und kümmert sich um seinen Bauernhof.

Ausmisten, Heu ernten, Rinder füttern, Kälber versorgen. Heinz Knue hat jetzt mehr Zeit, sich um den kleinen Bauernhof zu kümmern, auf dem er geboren ist. Seit Dezember ist er in Rente, nach 48 Jahren als Jugendvertreter und Betriebsrat.

Eigentlich wollte er ja Landwirt werden. Mit 15 Jahren begann er eine Lehre hier im Betrieb seiner Eltern in Haren-Segberg im Emsland. Doch ihm wurde klar, dass der Hof zu klein ist, um davon leben zu können. Er ging zum Kunststoffhersteller Röchling in Haren, an der niederländischen Grenze. Dort begann er eine Ausbildung zum Maschinenschlosser.

Nach nicht einmal einem Jahr wurde Heinz Knue zum Jugend- und Auszubildendenvertreter gewählt. »Ein älterer Auszubildender hat mich so lange gelöchert, bis ich schließlich kandidierte – und in die Gewerkschaft eintrat«, erinnert sich Knue. Schon bald gehörte er zu denen, die auch mal nachbohrten, die es störte, dass alles immer so lief, wie der Arbeitgeber wollte, wie lange die Mittagspause und um wie viel Uhr am Freitag Wochenende ist. Er warb Mitglieder für die Gewerkschaft Holz und Kunststoff (GHK).

Mit 23 Jahren wählten ihn die Kollegen in den Betriebsrat. Mit 26 Jahren wurde Heinz Knue Betriebsratsvorsitzender – und Experte für Löhne, Akkorde und Prämien. Die Geschäftsleitung wollte damals die Vorgabezeiten für die Akkorde ändern. Knue kontrollierte die Zeitaufnahmen und sorgte dafür, dass die Beschäftigten kein Geld verlieren. Bald wurde er dann auch in die Tarifkommission der Gewerkschaft gewählt.


Klare Worte, harte Zahlen

Knues Botschaften an die Beschäftigten sind klar. „Ihr verliert 7000 Mark im Jahr“, erklärte er ihnen 1985, als die Unternehmensführung versuchte, in einen billigeren Tarif zu wechseln. „Bis dahin war der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder bei uns überschaubar“, erinnert sich Knue. Damals traten fast alle in die Gewerkschaft ein. Die Unternehmensleitung ließ ihre Pläne fallen.

Anfang der 90er-Jahre wollte die Firma dann von Akkord und Prämie in den Zeitlohn mit „Leistungsprämien“ wechseln. „Die sagten: ,Wir stellen da scharfe Vorgesetzte hin und kriegen damit mehr raus‘“, erinnert sich Knue. Für neu eingestellte Beschäftigte hätte das zehn Prozent weniger Geld bedeutet – im Schnitt 3700 Mark weniger, Jahr für Jahr. „Wir haben gesagt: Mit uns gibt es keine Zweiklassengesellschaft. Und wir haben uns gemeinsam durchgesetzt.“

In der Tarifrunde 2005 kündigten die Arbeitgeber dann Tarifverträge und wollten die Löhne kürzen – um 5500 bis 8800 Euro im Jahr. Doch die Beschäftigten wehrten sich, mittlerweile mit der IG Metall, die mit der GHK fusioniert hatte. In der Tarifrunde 2016 erkämpften sie dann die Altersteilzeit.


100 000 Euro für jeden

Die 48 Jahre haben sich gelohnt. Knue hat gerechnet: Im Schnitt 100 000 Euro mehr für jeden Beschäftigten hat der Betriebsrat in seiner Amtszeit herausgeholt. Zudem hat sich die Zahl der Arbeitsplätze seit Anfang der 90er-Jahre mehr als verdoppelt – auf heute 800. Röchling investiert in die Zukunft des Standorts, in neue Hallen und Maschinen, und in ein neues „Industrial Center“ mit Forschung und Entwicklung.

„Wir waren immer dann erfolgreich, wenn wir als Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaft zusammengehalten haben, im Dreiklang“, meint Knue.  Immerhin hat Röchling ja dann auch zugehört. „Man muss laut und deutlich sagen, was man will – und was man nicht will. Das werden wir auch weiter tun müssen. Denn auch in Zukunft bekommen wir nichts geschenkt.“


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