1. Februar 2021
Christoph Böckmann
Mobilitätswende
Ein Amerikaner in Ulm
Ein Start-up aus den USA ist angetreten, emissionsfreie Elektro- und Wasserstofftrucks zu bauen. Produziert werden sollen sie in Ulm bei Iveco. Während andere Lkw-Hersteller Standorte in Billiglohnländer verlagern, haben die US-Amerikaner den Wert des Standortes erkannt.

Nikola hatte die freie Auswahl. Überall auf der Welt hätte das US-Start-up seine Elektro- und Wasserstoff-Lkws produzieren können. Die Wahl fiel auf Ulm. Hier sollen in den kommenden Monaten die ersten Elektrolastkraftwagen in der Linie gebaut werden, ab 2022 soll dann die Serienproduktion beginnen und später die Produktion von Wasserstoff-Lkws folgen.

Während heimische Hersteller kräftig die Belegschaft reduzieren, Investitionen streichen, Standorte in Billiglohnländer verlagern und dabei nicht mal vor der Forschung und Entwicklung haltmachen, kommt also ein Unternehmen aus den USA und investiert ausgerechnet hier, wo es anderen zu teuer ist.


Hervorragende Fachkräfte überzeugten das Start-up

Verkehrte Welt? Nein! Die US-Amerikaner haben die Vorzüge des Standorts und der hervorragenden Fachkräfte erkannt. So sind sie ein Joint Venture mit dem Nutzfahrzeughersteller Iveco eingegangen und gerade dabei, am Iveco-Standort Ulm die Lkw-Montage aufzubauen. Die baden-württembergische Stadt hat eine lange Tradition im Nutzfahrzeugbau, schon seit 1916 werden sie in Ulm gebaut. Die nötige Infrastruktur ist somit vorhanden. Das ist ein immenser Pluspunkt, den Standorte nicht aufweisen, die in Billiglohnländern am Reißbrett geplant werden.

Iveco-Betriebsratsvorsitzender Wilfried Schmid verdeutlicht: „Ulm ist ­Wissenschaftsstadt und gerade im Bereich Wasserstoff- und Brennstoffzellenforschung vorn mit dabei. Das und die Fachkräfte haben Nikola überzeugt, betriebswirtschaftliche Kennzahlen und Stundenlöhne waren für sie nicht ausschlaggebend“, so Schmid.

Auch geholfen habe, dass die Verantwortlichen der Stadt zügig Zusagen zur Nutzung des Grundstücks gaben, auf dem nun die Montage anlaufen wird, erklärt Schmid, auf dessen Handy die Nummer des Ulmer Oberbürgermeisters gespeichert ist. Während in den USA Nikola von einigen Aktienhändlern dafür kritisiert wird, dass das Start-up noch nichts auf die Straße gebracht hat, bleibt Iveco-Betriebsrat Schmid gelassen. Denn Schmid sieht, wie es im gemeinsamen Joint Venture vorangeht: Gerade werden in Ulm kräftig Beschäftigte, dual Studierende und Auszubildende eingestellt: für die Forschung und Entwicklung, für den Prototypenbau und das Testing und natürlich auch für die Produktion. Übrigens: Das neue Joint Venture wird tarifgebunden sein, dafür haben Schmid und seine Kolleginnen und Kollegen aus dem Betriebsrat bereits gesorgt.

Die neue Produktionsstätte ist ein Gewinn für die gesamte Region. Beispielsweise profitieren Zulieferer wie Bosch, denn ihre Teile finden in der künftigen Lkw-Produktion einen neuen Abnehmer.


Jeder Standort braucht eine technologische Perspektive

Iveco ist ein Konzern, der in ganz Europa produziert. Für Wilfried Schmid war daher von Anfang an wichtig, dass alle Standorte von dem neuen Engagement profitieren. Und das tun sie auch: Die Elektroachsen kommen aus dem italienischen Werk, die Fahrerkabine aus Spanien, in Deutschland findet dann die Montage statt.

Aber warum ist das dem Betriebsrat so wichtig? Schmid bringt auf den Punkt, wie Transformation laufen muss und was die Vorstände anderer Hersteller sich merken sollten: „Es ist wichtig, nicht nur Beschäftigung an allen Standorten zu sichern, sondern allen Standorten auch die Chance zu geben, in die neue Technologie hineinzuwachsen“, so Schmid.
 

 Nikola Motors

Das steckt hinter dem US-Unternehmen:


 


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