Die Europäische Union erhöht ihre Klimaschutzziele. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 55 Prozent sinken, statt wie bisher geplant um 40 Prozent. Auch von Deutschland wird jetzt mehr Engagement erwartet. Denn die EU und Deutschland wollen beim Klimaschutz Vorreiter sein. Zum einen wollen sie Verantwortung übernehmen. Zum anderen geht es um einen wirtschaftlichen Wettlauf: In den kommenden Jahren wird sich herausstellen, welche Länder technologisch die Nase vorn haben und die Produkte für eine klimaneutrale Wirtschaft produzieren werden. Die IG Metall setzt sich daher dafür ein, dass die Politik massiv in die notwendigen neuen Technologien und Produkte investiert und diese fördert, Qualifizierung unterstützt und so zukunftsfeste Arbeitsplätze sichert.
„Das weltweite Rennen um eine ressourcenschonende und klimaneutrale Produktion hat längst begonnen und der Wasserstofftechnologie kommt dabei eine Schlüsselrolle zu“, weiß Jürgen Kerner, Hauptkassierer der IG Metall. Denn durch Wasserstoff können viele Industriezweige wie auch der Schiff-, Flug- und Schwerlastverkehr CO₂-Emissionen einsparen. So wird Wasserstoff ein weltweit gefragtes Gut werden und eine neue Industrie wird um dieses entstehen.
Laut einer Studie des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie und des Beratungsunternehmens DIW Econ könnten durch den Aufbau einer eigenen Wasserstoffproduktion und -wirtschaft hierzulande bis zum Jahr 2050 bis zu 800 000 Arbeitsplätze entstehen. Daher bemüht sich die IG Metall darum, dass dieses Potenzial auch von der Politik und den Unternehmen gehoben wird.
„Der Handlungsdruck durch den fortschreitenden Klimawandel ist enorm“, sagt Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, und betont: „Die Energiewende muss durch einen ambitionierten Ausbau der Wind- und Solarenergie vorangetrieben werden.“
Auch Jens Rotthäuser, Betriebsratsvorsitzender bei Siemens Energy Mülheim, stellt fest, dass der Klimaschutz weltweit wichtiger wird. Doch was heißt das für ein Unternehmen, das auch mit Generatoren und Turbinen für Kohle- und Gaskraftwerke Geld verdient? Rotthäuser erklärt: „Natürlich hat der Kohleausstieg für uns Auswirkungen. Auch ist das Zeitfenster, in dem Erdgas für Kohle in die Bresche springt, wohl kleiner, als wir bisher annahmen.“ Und worauf kommt es jetzt an? Der Betriebsrat macht klar: „Wir müssen uns nicht komplett neu erfinden, aber schon neue Felder besetzen. Andere fallen weg, ohne dass sie zerschlagen werden. Denn durch das Thema Energieeffizienz werden wir auch in den nächsten Jahren mit Übergangsprodukten, aber auch mit alten Produkten zu den Klimazielen beitragen. Felder, die wichtiger werden, sind Produkte und Lösungen für die Netzstabilität, Speicher und thermische Speicher oder die Erzeugung von Wasserstoff. Um hier Potenziale zu heben und Innovationen voranzutreiben, setzen wir auf Qualifizierung und sichern so Arbeitsplätze. Denn wir wollen den Wandel gestalten.“
Die Mobilitätswende wird im Fahrzeugbau zu einem Arbeitsplatzabbau führen. Denn ein Elektromotor bedarf deutlich weniger Teile, als ein Verbrenner. Und der Verbrenner wird weltweit von den Straßen verschwinden. Beispielsweise in China und Kalifornien werden ab 2030 keine Verbrenner mehr zugelassen. Neue Stellen können dafür in der Fertigung von Komponenten wie Batterien und Leistungselektronik entstehen. Damit diese Chance genutzt wird und die Transformation sozialverträglich und erfolgreich verläuft, hat die IG Metall Ideen entwickelt.
Die Schlagworte dabei sind: finanzielle Hilfen für die Transformation, strukturpolitische Unterstützung für die betroffenen Regionen, Qualifizierung sowie der Auf- und Ausbau der Batteriefertigung und Ladeinfrastruktur. Die Vorschläge hat die Bundesregierung beim letzten Autogipfel aufgenommen und wird sie jetzt umsetzen.
Doch Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, lässt trotz des Erfolgs noch nicht locker. Hofmann betont: „Die angespannte Situation der Branche und insbesondere vieler Zulieferbetriebe machen jetzt eine schnelle Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen notwendig.“
„Beim Klimaschutz wurden Gebäude, Heizungen und Warmwasser von der Politik lange sehr stiefmütterlich behandelt, obwohl es bei den Gebäuden um 30 Prozent des deutschen CO₂-Ausstoßes geht“, erklärt Arno Böttcher, Betriebsratsvorsitzender von Bosch Thermotechnik in Wernau.
Aber Böttcher hat mittlerweile Anlass zur Freude: „Die IG Metall und die Betriebsräte haben sich dafür eingesetzt, das zu ändern – mit Erfolg! Im Klimapaket gibt es jetzt eine Ölheizungsaustauschprämie: ein Programm, das den Klimaschutz voranbringt und unseren Betrieben Umsatzsteigerung bringt, trotz Corona.“
Aber wie geht es technologisch weiter? „Generell gehen wir bei Bosch davon aus, dass Elektrowärmepumpen das Ding der Zukunft sind und dass sie Öl- und Gasheizungen nach und nach ersetzen werden. Vor allem bei Neubauten und renovierten Altbauten sind sie wirtschaftlich“, erklärt Böttcher. Für Geräte für fossile Brennstoffe wie Ölheizungen sieht er keine Zukunft. Was aber heißt das für die Beschäftigten? „Durch den technologischen Umstieg müssen keine Arbeitsplätze verloren gehen. Für die Fertigung von Wärmepumpen sind nicht weniger Beschäftigte erforderlich als für die Herstellung fossiler Heizgeräte. Voraussetzung dabei ist, dass die Wärmepumpen in Deutschland gefertigt werden und die Unternehmen jetzt nicht die Gelegenheit nutzen, um die Arbeitsplätze zu verlagern“, sagt Böttcher.
30 Prozent aller industriellen CO₂-Emissionen verursacht die Stahlindustrie. Aber: Werden Hochöfen durch Direktreduktionsanlagen, die mit Wasserstoff betrieben werden, ersetzt und Elektroöfen allein mit grünem Strom betrieben, können Betriebe Stahl auch klimaneutral herstellen. Doch die Unternehmen können die notwendigen Investitionen dafür nicht allein stemmen.
Die Coronakrise hat tiefe Löcher in ihr eh klammes Budget geschlagen. Deshalb setzt sich die IG Metall – mit Erfolg – dafür ein, dass die Politik den Umbau mitfinanziert und die klimaneutrale Stahlproduktion auch politisch unterstützt.
Aus dem Wirtschaftsministerium kommen bereits in den nächsten Monaten Milliardenhilfen. Auch gab Berlin die Zusage, dass der teurere klimaneutrale Stahl aus Deutschland und Europa vor Billigimporten, die mit hohen Emissionen verbunden sind, geschützt werden soll.