Detlef Scheele: Durch die Digitalisierung können nach Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Arbeitsplätze wegfallen. Aber gleichzeitig werden voraussichtlich rund 1,5 Millionen neue entstehen ― mit anderen Anforderungen. Das neue Gesetz ermöglicht uns, Menschen jeder Qualifikation zur Weiterbildung zu beraten und bei Bedarf ein Angebot zu machen. Niemand soll zurückgelassen werden.
Wir selbst werden keine Weiterbildungen anbieten. Wir beraten, vermitteln und unterstützen finanziell. Die Weiterbildung der Beschäftigten bleibt Aufgabe der Unternehmen. Arbeitgeber oder Arbeitnehmer kommen auf uns zu und sagen: Wir wollen Förderung für eine Weiterbildungsmaßnahme. Dabei muss es um Strukturwandel oder Digitalisierung gehen. Wir prüfen das und schauen, ob es einen passenden Kurs gibt.
Das Gesetz wendet sich an Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Optimal ist, wenn es in einem Betrieb Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen zur Weiterbildung gibt. Die glaubwürdigsten Berater für Beschäftigte sind die Betriebsräte. Wir brauchen sie und die Gewerkschaften auch für Überzeugungsarbeit. Nicht jeden begeistert es, für einige Wochen wieder die Schulbank zu drücken.
Das nehmen wir auch wahr. Gerade bei Älteren, die wenig Erfahrung mit Weiterbildung haben. Für sie ist der Wandel der Arbeitswelt erstmal keine Verheißung. Aber man sollte das nicht dramatisieren. Niemand muss eine Weiterbildung nach der anderen machen. Das geschieht nicht im Jahresrhythmus.
Auf Weiterbildung zu verzichten, ist kurzsichtig. Investitionen in Menschen rechnen sich nicht nach einer Woche. Da sind Voraussicht und langer Atmen gefragt. Bei der Metall- und Elektroindustrie reden wir von hochwertigen tarifgebundenen Arbeitsplätzen. Wenn man die erhalten will, muss man rechtzeitig investieren, in Menschen und in Anlagen.
„Der Wandel mag manchen etwas abfordern. Aber dafür bekommen sie etwas sehr Wertvolles: einen zukunftssicheren Arbeitsplatz.“
Die Elektromobilität führt zu neuen Tätigkeiten. Ich habe mir den Umbau bei VW Zwickau angeschaut. Da ist viel in Bewegung. Aber es gilt: Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2028. Gleichzeitig werden Qualifizierungsmaßnahmen geplant. Die Kolleginnen und Kollegen werden danach oft höherwertige Jobs haben. Man ist das systematisch angegangen: Was ist das neue Produkt? Was muss man dazulernen? Wer führt die Weiterbildung durch? Dann geht es los. Und der Ausschluss von Kündigungen gibt den Beschäftigten Sicherheit über einen langen Zeitraum.
Vielleicht. Ob man wie bisher am Band steht oder über eine Montageplattform zusammenarbeitet – diese Tätigkeiten unterscheiden sich. Aber entscheidend ist etwas anderes. Ich würde den Beschäftigten immer sagen: Es geht ja nicht bergab! Es verändert sich etwas. Aber ob Digitalisierung oder E-Auto: Darin liegen eher Chancen als Risiken. Der Wandel mag manchen etwas abfordern. Aber dafür bekommen sie etwas sehr Wertvolles: einen zukunftssicheren Arbeitsplatz. Wir werden die Veränderungen gemeinsam bewältigen. Davon bin ich überzeugt.
Darüber kann man durchaus diskutieren. Aber jetzt sollten wir erst mal Erfahrungen mit dem Qualifizierungschancengesetz sammeln. Wer das Gesetz nutzt, ist abgesichert. Ich komme noch mal auf das Beispiel VW zurück: Dort werden wir bald sehen, ob das Gesetz für so einen Umbau ausreicht.
Wir haben zum Beispiel Ausbildungsberufe auf ihre Digitalisierungsfähigkeit überprüft. Was der einzelne Betrieb macht, wissen wir aber nicht. Unsere Weiterbildungsberater sollen das herausfinden. Wie man das systematisch beobachtet, darüber diskutieren wir auch mit unseren Arbeitsmarktforschern und mit der IG Metall. Weiterbildungsmaßnahmen kann man nur eng am Betrieb entwickeln. Personaler, Eigentümer, Vorstände und natürlich Betriebsräte und Gewerkschaften ― alle sollten uns informieren. Die Sozialpartner gehören immer an den Tisch.
Wir sind mit Betrieben im Gespräch. In der Metallindustrie zum Beispiel mit Continental, an verschiedenen Standorten. Auch mit der chemischen Industrie. Wir sind darauf eingestellt, Anfragen schnell zu beantworten. Und wir wollen noch stärker in die berufsbegleitende Beratung investieren, immer unter dem Gesichtspunkt Qualifizierung.
Die Beratung von Beschäftigten wird ein neuer Schwerpunkt unserer Arbeit. Beispiel Düsseldorf: Da haben wir unser Berufsinformationszentrum umgebaut. Beschäftigte können dort ohne Anmeldung hingehen. Wir führen ein Erstgespräch, vielleicht weitere Gespräche. Der Berater entscheidet, ob es einen konkreten Weiterbildungsbedarf gibt. Dann muss man das mit dem Betriebsrat oder dem Arbeitgeber besprechen. Dabei helfen wir auch. Wenn eine geeignete Weiterbildungsmaßnahme verfügbar ist, kann es losgehen.