Hans Hennrich hat alles genau durchgerechnet: Er ist jetzt 58. Noch drei Jahre, dann kann er 45 Versicherungsjahre bei der Rentenversicherung vorweisen. Doch in Rente gehen kann er dann noch nicht. Das ginge frühestens mit 63. Und auch dann nur mit hohen Rentenabschlägen. Die kann und will sich der Metaller aber nicht leisten.
„Es ist ungerecht, dass man 45 Jahre hart arbeitet und trotzdem nur mit Abzügen in Rente gehen darf“, schimpft Hennrich. „Wer schafft denn heutzutage überhaupt so viele Beitragsjahre?“
Hennrich arbeitet als Maschineneinrichter bei Schäffler im Saarland. In seinem früheren Leben war er Thekenbauer. Dann wechselte er wegen der besseren Bezahlung in die Metallindustrie. Er hat immer gearbeitet, unterbrochen nur von der Wehrpflicht. Heute sagt er: „Wer 45 Versicherungsjahre hat, musste früh anfangen, zu arbeiten. Das sind meist Leute mit körperlich belastenden Jobs, keine Büromenschen.“ Für sie, findet Hennrich, müsse es einen fairen und frühzeitigen Übergang in den Ruhestand geben.
Die Politik geht jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Das Rentenalter steigt. Und die Bundesregierung hält die Anhebung der Altersgrenze nicht nur für „notwendig“, sondern auch für „vertretbar“. So steht es im neuen Bericht zur Rente mit 67.
Der Bericht erscheint bereits zum dritten Mal. Jedes Mal fällt er positiv aus. Erfreut stellt die Regierung fest, dass immer mehr ältere Menschen arbeiten. Ein längeres Erwerbsleben sei für die Beschäftigten keine Bedrohung, sondern „eine Chance auf mehr Wohlstand und Teilhabe“.
Die meisten Beschäftigten sehen das völlig anders. Eine repräsentative Umfrage im Auftrag der IG Metall zeigt: Knapp zwei Drittel der Menschen in Deutschland glauben nicht, dass sie ihre derzeitige Tätigkeit überhaupt bis zum Alter von 67 Jahren ausüben können. Kaum jemand hält es für sinnvoll, das Renteneintrittsalter weiter anzuheben: Nur jeder Zehnte ist dafür, 87 Prozent der Befragten dagegen.
Wenn Ökonomen und Politiker für ein höheres Rentenalter trommeln, verweisen sie oft auf die steigende Lebenserwartung: Wer länger lebe, müsse auch länger arbeiten. Doch entscheidend ist die „beschwerdefreie Lebenserwartung“, die Zeitspanne ohne körperliche oder geistige Einschränkungen. Sie liegt in Deutschland im Schnitt bei rund 56 Jahren. Dann kommen die ersten Zipperlein oder sogar größere gesundheitliche Probleme.
Viele Menschen können also gar nicht länger arbeiten, auch wenn sie statistisch gesehen älter werden. Schon heute schaffen es viele nicht bis zur regulären Altersgrenze. Ein weiter steigendes Rentenalter bedeutet für sie eine Rentenkürzung. Sie müssen vorzeitig in den Ruhestand gehen, mit hohen Abschlägen.
„Die Rente mit 67 geht an der Wirklichkeit der meisten Menschen vorbei, daran ändert auch eine höhere Erwerbsbeteiligung Älterer nichts“, sagt Hans-Jürgen Urban, der im IG Metall-Vorstand für Sozialpolitik zuständig ist. Der Regierungsbericht zur Rente mit 67 verdecke, dass Ältere deutlich länger arbeitslos blieben als der Durchschnitt der Erwerbslosen. „Wer im Alter seinen Job verliert, hat kaum noch die Chance, eine reguläre Beschäftigung zu bekommen. Dann werden Erwerbsbiografien auf den letzten Metern entwertet, mit dramatischen Folgen auch für die Rente.“
Die Rentenvorschläge der IG Metall sehen eine Altersgrenze vor, die man gesund erreichen kann. Dazu Möglichkeiten für abgesicherte, flexible Übergänge in die Rente. Zum Beispiel die Altersteilzeit, wie sie die IG Metall in vielen Tarifverträgen vereinbart hat.
Metaller Hans Hennrich will diese Karte jetzt ziehen. Damit er nach seinem langen Arbeitsleben doch noch fair in Rente gehen kann.