Jörg Hofmann: Unsere Auswertung zeigt: Wir sind mitten drin in einem sich beschleunigenden Wandel unserer Industriestrukturen. Erschreckend ist allerdings, wie wenig Betriebe auf den digitalen Wandel vorbereitet sind. Die Hälfte der von uns untersuchten Betriebe hat keinerlei Strategie. Die fahren mit einem Planungshorizont von oft weniger als zwei Jahren im Nebel. Wer das bei solchen radikalen Veränderungen tut, der droht, aus dem Nebel heraus direkt vor die Wand zu fahren. Wenn die Unternehmen sich weiterhin so defensiv verhalten, spielen sie Roulette mit der Zukunft der Beschäftigten.
Wir werden die Arbeitgeber auffordern, ihre Strategien zur Bewältigung der Transformation offenzulegen und die Belegschaften an der Gestaltung der Veränderungen zu beteiligen. Betriebsräte tun gut daran, die Arbeitgeber permanent zu löchern. Was sind die Perspektiven für den Standort? Das ist wichtig ― die Unternehmen müssen die anstehenden Veränderungen endlich offensiv angehen. Dazu gehören Investitionen in neue Produkte, Prozesse und in neue Geschäftsmodelle. Dazu gehört aber auch eine vorausschauende Personalplanung und nachhaltige, betriebliche Qualifizierung.
Stimmt. Solange die Auftragsbücher der Unternehmen voll sind, wird über Transformation oft nicht gesprochen. Das ist unverantwortlich. Daher fordern wir, wo nicht vorhanden, betriebliche Zukunftsvereinbarungen, die mittel- und langfristige Investitionsentscheidungen, Standortsicherung, Kündigungsschutz und Personalentwicklung beinhalten. Wir brauchen mehr Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, um hier Einfluss zu nehmen, etwa eine verbindliche Personal- und Qualifizierungsplanung einzufordern.
Ja, wir müssen verhindern, dass Beschäftigte zu Opfern der Transformation werden. So schlagen wir ein Transformationskurzarbeitergeld vor, das die Möglichkeit schafft, die Beschäftigten im Betrieb zu halten und für neue Aufgaben zu qualifizieren und nicht beim ersten Auftragseinbruch entlassen zu werden.
Einerseits handelt es sich um eine Lohnersatzleistung, damit bei wegbrechenden Auftragsvolumen alter Produkte nicht Menschen, sondern Stunden abgebaut werden und diese Stunden sinnvoll für Qualifizierung für neue Aufgaben an neuen Produkten und Prozessen genutzt werden können. Und dies bei einem Einkommen, das erlaubt, weiter den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Wir brauchen aber auch eine proaktive Industriepolitik und regionale Strukturpolitik, die diesen Wandel begleitet.
Die Betriebe und die Beschäftigten brauchen Klarheit und Planungssicherheit bezüglich einer gelingenden Energie- und Mobilitätswende und die dafür notwendigen Investitionen in öffentliche Infrastruktur. Wir können nicht nur immer anspruchsvollere Ziele zum Klimaschutz setzen, ohne die Maßnahmen anzugehen, die zum Erreichen der Ziele notwendig sind. Und die liegen auf der Hand: Ausbau der flächendeckenden Ladeinfrastruktur, Milliarden für den Erhalt und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und einer klimafreundlicheren Güterlogistik. Oder der zwingende Ausbau der Stromtrassen für Windenergie aus dem Norden. Hier verspielt Politik durch Nichthandeln unsere Zukunft. Und dies gilt auch dort, wo offensichtlich in Folge der Mobilitäts- und Energiewende ganzen Regionen die Deindustrialisierung droht. Etwa weil sie sehr stark durch Zulieferbetriebe mit dem Schwerpunkt Verbrennungsmotor geprägt sind. Wir dürfen nicht erst dann handeln, wenn Industrieruinen und Arbeitslosigkeit entstehen, sondern müssen durch eine präventive regionale Strukturpolitik rechtzeitig die Weichen für den strukturellen Wandel in den Regionen stellen.