1. Juli 2020
Metallzeitung
Gewerkschaft? Ja, gerade jetzt!
Interview mit Janek Tomaschefski, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Halberstadt

Die Geschäftsstelle Halberstadt hat seit dem 8. Juni 2020 wieder einen halbwegs geordneten Normalbetrieb aufgenommen. Was ist Euer Fazit aus den vergangenen Wochen seit dem Lockdown?

Es war und ist schon eine ziemlich verrückte Zeit. Die Corona-Pandemie hat unseren Alltag und das Arbeitsleben fest im Griff. Wir sind mit vielen Fragen, mit Sorgen und Ängsten unserer Mitglieder konfrontiert, die niemand in diesen Dimensionen erwartet hätte. Unsere Betriebsräte und Vertrauensleute in den Betrieben waren und sind teilweise immer noch gezwungen, Interessenvertretung unter schwersten Bedingungen zu realisieren.

Wie äußert sich das konkret?

Zum einen galt es, in kürzester Zeit viele mitbestimmungspflichtige Themen gleichzeitig zu regeln: Kurzarbeit, Pandemie- und Hygienepläne, Homeoffice, Umsetzung des neuen Solidar-Tarifvertrags, Arbeitszeit- und Schichtplanänderungen und Freistellungsregelungen für Eltern. Zum anderen konnten durch die Kontaktbeschränkungen und durch Kurzarbeit oft keine persönlichen Gespräche und keine ordnungsgemäßen Betriebsratssitzungen stattfinden. Dazu kamen fast täglich neue Informationen über Regeln, Verordnungen und Gesetze, die mehr oder weniger auf den betrieblichen Alltag Auswirkungen hatten. Hier die Übersicht zu behalten und Prioritäten zu setzen, war für alle eine große Herausforderung.

Wie konntet Ihr die Betriebsräte bzw. auch die Mitglieder in dieser Zeit unterstützen?

Durch die Kontakteinschränkungen lief sehr viel telefonisch und digital. Wir haben zu allen coronabezogenen Themen aktuelles Infomaterial per E-Mail oder auf dem Postweg verschickt, und wir haben Videokonferenzen, Videoschulungen und sogenannte Webinare angeboten und durchgeführt. Wir haben außerdem für ganz dringende Fragen und Probleme unseren Mitgliedern die Möglichkeit eingeräumt, uns unter Beachtung der Hygieneregeln dienstags persönlich in der Geschäftsstelle zu besuchen und konnten somit einen qualifizierten Rechtsschutz zusammen mit dem DGB durchgängig absichern. Dafür haben wir viele positive Rückmeldungen unserer Mitglieder erhalten.

Apropos Mitglieder: Wie stellt sich die Mitgliederentwicklung in der Geschäftsstelle dar?

Leider nicht mehr so positiv, wie in den vergangenen Jahren. Wir haben eindeutig coronabedingt weniger Eintritte, weil alle Möglichkeiten persönlicher Ansprachen mit einem Schlag weggefallen sind und weil viele Beschäftigte verunsichert sind und nicht wissen, was noch alles kommt.

Was sagt Ihr diesen Kolleginnen und Kollegen?

Die Durchsetzungsmacht der IG Metall erwächst aus ihrer Mitgliedsstärke. Was viele nicht wissen: Durch den Druck der IG Metall wurde in der Corona-Krise gegen teils heftige Widerstände vieles erreicht. Die verbesserten Kurzarbeitsregelungen, die Aufstockung des Kurzarbeitergelds, die verlängerte Bezugsdauer des Arbeitslosengelds, die Entgeltsicherung für Eltern, die wegen der Schul- und Kita-Schließungen ihre Kinder betreuen müssen, der erleichterte Zugang zu Grundsicherung und Kinderzuschlag, das Ausklammern von Kurzarbeit bei der Berechnung des Elterngelds, damit werdende Eltern nicht doppelt belastet werden – sind einige Beispiele. Diese Regelungen wären ohne eine starke IG Metall so nicht möglich gewesen.

Wo siehst Du die Aufgaben für die Zukunft?

Den Weg aus der Krise gestalten wir mit. Wann und wie endet die Kurzarbeit? Wie lassen sich die Wiederaufnahme der Produktion und der Gesundheitsschutz miteinander vereinbaren? Wie greifen wir unsere Themen wieder auf, die coronabedingt auf Eis lagen: Tarifbindung stärken und erhöhen, Transformation gestalten, Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung im Osten und auch die Gründung neuer Betriebsräte. Diese und weitere Fragen wollen wir mit einer starken IG Metall angehen. Denn wir stehen für gute Arbeit. Nach der Krise mehr denn je. Unsere Botschaften lauten: Gewerkschaft? Ja, gerade jetzt! und
„Wenn wir zusammenhalten, ist alles möglich“.

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Janek Tomaschefski

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