1. Juli 2020
Bayern
„Wer kassiert, darf nicht feuern!“
Bayerns IG Metall-Bezirksleiter Johann Horn fordert im Interview gerade jetzt einen ökologisch-sozialen Umbau der Unternehmen. Doch deren Lobby plant den Abbau von Arbeitnehmerrechten.

Was bringt das 130 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket den Beschäftigten in Bayern?

Johann Horn: Ob viel Geld viel hilft, entscheidet der verantwortungsvolle Umgang damit. Die Unternehmen sind jetzt am Zug, dass sie damit die Beschäftigten an Bord behalten. Wer auch nur indirekt über die Mehrwertsteuersenkung Steuergeld kassiert und auch sonst viele Hilfen erhält, darf niemanden feuern!
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) erklärte sich „zufrieden“ mit den Maßnahmen.
Steuergeld sollte steuern. Aber es gibt jetzt kaum Bedingungen, dass sich die Unternehmen wirtschaftlich nachhaltig, sozial und ökologisch wandeln. Mit dieser bedingungslosen Grundförderung sind Unternehmen natürlich zufrieden. Doch sie haben noch nicht genug.

Was befürchtest Du?

Die VBW hat postwendend zum Konjunkturpaket weitere „Reformen“ angemahnt und schon vorher einen „Gesamtschlag“ angekündigt. Sie versuchen, die Unsicherheit der Corona-Krise für den Abbau unserer Errungenschaften zu missbrauchen. Wer aber das Arbeitszeitgesetz schleifen, Ruhezeiten beschneiden und Befristungen ins Uferlose verlängern möchte, bettelt geradezu um unseren Widerstand! Eine Gewerkschaftsmitgliedschaft war selten so wichtig wie jetzt: politisch und persönlich.

Verschärft die Corona-Krise in Bayern das Verhältnis zu den Arbeitgebern?

Bisher sind wir gut durch die Krise gekommen, weil Sozialpartnerschaft gelebt wurde. Ohne die politischen und vielen betrieblichen Verbesserungen wie höheres Kurzarbeitergeld würden schon jetzt soziale Verwerfungen drohen. Viele Manager aber ignorieren die Sorgen der Beschäftigten und scheinen in einem Paralleluniversum zu leben. Die Menschen verzichten auf demokratische Freiheitsrechte, Geld und bangen um ihre Jobs. Und gleichzeitig wird mit kapitalistischer Logik weitergemacht wie bisher. Wir werden unsere Wirtschaft aber verändern müssen: Sie muss nachhaltiger, sozialer, ökologischer und demokratischer werden.

Können wir uns erstmal nicht glücklich schätzen, wenn wir die Corona-Krise ohne größere Blessuren überstehen?

Ja, aber wir müssen jetzt auch an die Zeit danach denken. Wollen oder können wir dann noch immer mit alten, auf Raubbau ausgelegten Geschäftsmodellen wirtschaften? Als IG Metall setzen wir in den Betrieben alles daran, dass Beschäftigte ihren Job behalten können. Kalter Personalabbau, wenn etwa frei werdende Stellen nicht nachbesetzt werden, bleibt aber Beschäftigungsabbau. Wir brauchen dagegen neue, ressourcenschonende und zukunftsfähige Arbeit und Produkte. Und das müssen alle jetzt anpacken!

Was bedeutet das für die Autoindustrie, an der gerade in Bayern viele Arbeitsplätze hängen?

Mit der pauschalen Mehrwertsteuersenkung werden vor allem die hochpreisigen Modelle gefördert – und egal, was unter der Haube ist oder hinten rauskommt. Das löst das langfristige Problem nicht. Wir brauchen bei den Herstellern und bei den Zulieferern einen Schub in die Zukunft. Das bedeutet: CO2-arme oder gar CO2-freie Fahrzeuge. Und das braucht eine kluge Mobilitäts- und Energiewende. Die Branche ist für das Land und die Beschäftigten zu wichtig, um sie hängen zu lassen.


Bayerns Arbeitgeber planen Großangriff

Mit einem 11-Punkte-Plan will die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft die Rechte von Beschäftigten beschneiden. Darin fordert sie die Abschaffung der täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden und will die tägliche Ruhezeit von elf Stunden aufweichen. Unternehmen sollen Arbeitsverträge künftig grundlos mindestens drei Jahre befristen können. Außerdem wollen Bayerns Arbeitgeber geplante Verbesserungen verhindern: etwa ein Recht auf Homeoffice, die Grundrente oder Umwelt- und Sozialstandards bei den Lieferketten.

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