1. Juni 2020
Metallzeitung
Arbeiten in Zeiten des Virus
Mit der Ausnahmesituation haben alle zu kämpfen. Was sagen die Betriebsräte der größten Betriebe Rolls Royce und Mercedes?

Guido Höhn ist Betriebsratsvorsitzender bei Rolls Royce in Dahlewitz mit 3000 Beschäftigten und Thomas Rackwitz ist stellvertretender Betriebsratsvorsitzender von Mercedes in Ludwigsfelde mit knapp 2000 Beschäftigten.

Wie ist die Situation momentan bei Euch im Betrieb? Macht Ihr Euch Sorgen um die Zukunft?

Guido Höhn: Der Flugverkehr ist europaweit um 90 Prozent eingebrochen. Auch bei uns ist von einem Zurückfahren der Produktion um 30 bis 40 Prozent die Rede. Bei uns arbeiten rund 60 Prozent der Ingenieure mittlerweile im Homeoffice, und wir beginnen ab dem 20. Mai mit Kurzarbeit. Der Umfang steht noch nicht ganz fest. Aber ab Juni ist von etwa 30 bis 40 Prozent die Rede. In England ist Kurzarbeit aber unbekannt. Deshalb sind dort Entlassungen angekündigt, und der Konzern will sparen, um die momentan fehlenden Einnahmen zu überbrücken. Das geht so nicht lange gut.
Thomas Rackwitz:
Ende April haben wir nach fünf Wochen Pause wieder mit einer Schicht angefangen, und ab Mai arbeiten wir in zwei Schichten und sind aus der Kurzarbeit erst einmal raus. Damit sind wir bei der Sprinterproduktion wie auch unser Schwesterwerk in Düsseldorf einer der wenigen Standorte im Konzern, die voll arbeiten.
Keiner weiß, wie lange die Krise andauern wird und ob es bei den ohnehin schon verordneten Sparmaßnahmen bleibt.

Wie sind die bisherigen Verhandlungen zum Kurzarbeitergeld gelaufen? Welche Absicherung ist vereinbart?

Guido Höhn: Es waren konstruktive, aber auch anstrengende und zum Teil lange Verhandlungen. Wir haben eine Aufstockung für die Kurzarbeit nach dem Vorbild aus Baden-Württemberg erreicht, bei dem unsere Kolleginnen und Kollegen mit einem monatlichen Nettoentgelt zwischen 80 und 90 Prozent abgesichert sind. Zuvor gab es eine zweiwöchige Betriebsruhe, die mit der verpflichtenden Umwandlung von tariflichem Zusatzgeld in freie Tage belegt werden konnte. Wir haben auch den Kreis der Anspruchsberechtigten leicht ausgeweitet. So hatten Eltern mit Kindern bis zum 14. Lebensjahr acht Tage bezahlte Freistellung.
Thomas Rackwitz:
Wir haben dieselbe Aufzahlungsstaffel wie im Konzern erreicht. 80,5 Prozent des Nettolohns sind bei Kurzarbeit Null abgesichert und bei weniger Kurzarbeit gibt es eine höhere Aufzahlung. Dafür hat aber auch der Konzern und die zuständige Bundesagentur für Arbeit in Stuttgart darauf bestanden, dass wir vor Beginn der Kurzarbeit zwei Wochen Betriebsruhe machen. Da hätten wir uns aufgrund unserer Arbeitszeitkonten auch schneller Kurzarbeit vorstellen können.

Wir haben dieselbe Aufzahlungsstaffel wie im Konzern erreicht. 80,5 Prozent des Nettolohns sind bei Kurzarbeit Null abgesichert und bei weniger Kurzarbeit gibt es eine höhere Aufzahlung. Dafür hat aber auch der Konzern und die zuständige Bundesagentur für Arbeit in Stuttgart darauf bestanden, dass wir vor Beginn der Kurzarbeit zwei Wochen Betriebsruhe machen. Da hätten wir uns aufgrund unserer Arbeitszeitkonten auch schneller Kurzarbeit vorstellen können.

Wie sieht die Arbeit unter Covid-19-Bedingungen aus?

Guido Höhn: Wir können die empfohlenen Abstände in der Produktion gut einhalten. Wo das nicht möglich ist, wurden Masken verteilt. Wir haben Schichten entzerrt und Gefährdungsanalysen mit den Betriebsärzten im Einzelfall angepasst. Risikogruppen arbeiten im Homeoffice oder bleiben bezahlt zu Hause. Der Umgang mit dem Thema Kinderbetreuung ist ziemlich schwierig und nur im Einzelfall zu lösen.
Thomas Rackwitz:
Wir haben die Gefährdungsbeurteilung für jeden Arbeitsplatz angepasst und nach technischen und organisatorischen Maßnahmen geschaut. Nur dort, wo es sich nicht vermeiden ließ, gilt eine Maskenpflicht. Wir konnten vor allem erreichen, dass wir im Vergleich zum Normalbetrieb mehr Mitarbeiter im Werk haben, damit zusätzliche Pausen für Entlastung sorgen. Risikogruppen können sich bei uns melden. Bei einem Nachweis muss mit dem Betriebsarzt entschieden werden, wie eine Rückkehr an den Arbeitsplatz möglich ist. Ansonsten schicken wir die Leute bezahlt nach Hause.
Anfangs hatten zwischen 60 und 100 Kolleginnen und Kollegen Schwierigkeiten, zur Arbeit zu kommen, weil sie ihre Kinder betreuen mussten. Bis auf wenige Fälle konnten aber im Einzelfall Lösungen gefunden werden. Klare Regelungen und Rahmenbedingungen wie die Lohnfortzahlung für Eltern und Freistellungsregelungen im Tarifvertrag gab es aber nicht.


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