„Wir haben schnell gelernt, trotz Corona effizient zu arbeiten“, berichtet Betriebsratsvorsitzende Katrin Brunke. Die fünf Betriebsräte am Standort Langelsheim haben zwei grundlegende Handlungsfelder zu beackern. Zum einen muss der Standort neu aufgestellt werden, denn der französische Recylex-Konzern will sich von PPM Pure Metals trennen. In kurzer Zeit sind die Betriebsräte ins digitale Zeitalter übergetreten, um den Austausch auf betrieblicher und konzernweiter Ebene zu ermöglichen.
Zum anderen steht der Gesundheitsschutz der Beschäftigten im Fokus. Ende Februar wurde deshalb eine Konzernbetriebsvereinbarung „Pandemie“ vereinbart. Seitdem gehören Telefon- und Internetkonferenzen zum Alltag der Betriebsräte, um die Zukunft von PPM Pure Metals mitzugestalten. „Diese Konferenzen sind anstrengend, weil ich nicht alle sehen kann“, meint Brunke. „Mir fehlen bei dieser Kommunikationsform die gesamte Körpersprache und das menschliche Miteinander.“ Trotzdem sieht die Betriebsratsvorsitzende viele Vorteile. „Wir sind trotz Corona in unseren Gremien und im Betrieb handlungsfähig. Plötzlich ist Homeoffice möglich und funktioniert gut.“
Neben strikten Hygienemaßnahmen setzt das Unternehmen auf Abstand und die Vermeidung von Fremdkontakten auf dem Firmengelände. „Wir schenken uns ein Lächeln statt den Handkontakt“, erzählt Brunke.
In dieser Notsituation sind Lösungen entstanden, die manchen sogar besser gefallen. Da- mit bei Schichtbeginn nicht alle Beschäftigten auf einmal kommen, startet ein Teil zehn vor sechs, ein Teil um sechs und ein Teil zehn nach sechs in der Früh. „Wir verzichten auf die Schichtübergabe und es läuft trotzdem gut, weil unsere Fachkräfte die Abläufe kennen“, so Brunke. „Eine Übergabe ist nur in Ausnahmen wirklich notwendig.“
Auch im Büro gibt es versetzte Arbeitszeiten von bis zu zwei Stunden sowie die Möglichkeit für das Homeoffice für Eltern, Pflegende oder Risikogruppen.
Einmal die Woche trifft sich der Corona-Krisenstab im Werk Langelsheim und überprüft die Maßnahmen. Gemeinsam beraten Betriebsrat, Geschäftsführung und die Fachkraft für Arbeitssicherheit auch über indi- viduelle Lösungen für einzelne Beschäftigte. Brunke: „Unsere Fachkräfte sind hoch motiviert und gehen sehr verantwortungsvoll mit der Situation um.“ Obwohl sich jetzt jeder zwei Wochen krankmelden kann, ohne einen Arzt zu besuchen, gab es bisher nur vier Krankschreibungen. „Wir haben langjährige Betriebszugehörigkeiten und dadurch einen hohen Identifika- tionsgrad mit der Arbeit. “
Auch die Geschäftsleitung setzt auf Kooperation und bietet Spielraum. Der Arbeitgeber hat die Wahloption des Tarifvertrags „Zusätzliches Tarifgeld oder acht freie Tage“ für alle Beschäftigten ausgeweitet. Zudem gibt das Unternehmen zu den neuen tariflich vereinbarten zusätzlichen acht freien Tage noch zwei Tage dazu. Wenn alle anderen Möglichkeiten wie der Abbau von Arbeitszeitkonten ausgeschöpft sind, kann der Beschäftigte auf insgesamt 15 vollbezahlte freie Tage während Kita- und Schulschließungen zugreifen. Diese Zeit kann auch für eine freiwillige Quarantäne genutzt werden, wenn der Beschäftigte sich nicht sicher ist, ob er krank ist. Zudem gibt es unbezahlten Urlaub, der auch mit den Sonderzahlungen verrechnet werden kann.
Brunke: „Wir finden als Team gute Lösungen. In der Zeit ohne Kinderbetreuung konnte ich meine Betriebsratstätigkeit eine Zeit lang im Homeoffice erledigen und zu Besprechungen habe ich meinen Sohn mitgenommen.“
PPM Pure Metals in Langelsheim steht zum Verkauf. Seit 1989 gehört die ehemalige Preussag-Tochter zum französischen Recylex-Konzern. Die Recylex-Gruppe will sich von einzelnen Unternehmensbestandteilen trennen, um mehr Liquidität für Zukunftsinvestitionen zu haben. Damit verbunden ist auch die Konzentration auf das Kerngeschäft, die Verwertung von Altbatterien. Von der Umstrukturierung sind auch vier der fünf deutschen Standorte betroffen. Konkret nennt Recylex dabei die auf das Recycling von Zinkabfällen spezialisierte Norzinco GmbH mit Sitz in Goslar sowie die im Recycling von Sondermetallen spezialisierte PPM Pure Metals GmbH mit den zwei Standorten in Langelsheim und in Osterwiek in Sachsen-Anhalt.
Seit fast 60 Jahren befasst sich PPM mit der Produktion und der Raffination von hochreinen Metallen und deren Verbindungen für die Elektronik- und Opto-Elektronikindustrie. Der Spezialist für Arsen-Recycling war schon immer ein Exot im Recylex-Konzern.