Christiane Benner: Entgeltgerechtigkeit, berufliche Perspektiven für Frauen und Vereinbarkeit sind die Hauptthemen der IG Metall-Frauen. Unsere aktiven Kolleginnen sind jetzt so froh, dass Vereinbarkeit von Arbeit und Leben ein Stück mehr Realität wird. Der Tarifabschluss bietet Metallerinnen und Metallern die Möglichkeit, zusätzliche freie Tage zu nehmen, wenn sie Kinder erziehen, Angehörige pflegen oder Schicht arbeiten. Das ist sozialer Fortschritt durch Tarifvertrag. Auch viele Männer nehmen sich die Zeit für Kindererziehung oder Pflege. Ein Kollege hat das treffend formuliert: „Gestern kochte Klaus noch Stahl, jetzt kocht er acht zusätzliche Tage für seine Mutter.“ Es tut sich etwas.
"Einmal Teilzeit, immer Teilzeit? Zum Glück ist endlich Schluss damit", sagt Christiane Benner, die Zweite Vorsitzende der IG Metall (Foto: Frank Rumpenhorst)
... einmal Teilzeit, immer Teilzeit? Zum Glück ist endlich Schluss damit! Künftig können die meisten Beschäftigten eine Brückenteilzeit vereinbaren. Sie bleiben vertraglich auf Vollzeit und senken zeitlich begrenzt ihre Arbeitszeit ab. Für uns ist das ein großer Erfolg: wichtig für Gleichstellung und mehr Gerechtigkeit. Die Einschränkungen im Gesetz müssen aber noch verschwinden. Die Brückenteilzeit gilt nur für Betriebe mit mehr als 45 Beschäftigten. In Betrieben mit mehr als 45, aber weniger als 200 Beschäftigten darf überhaupt nur jede oder jeder 15. die Brückenteilzeit in Anspruch nehmen.
Mit ihrem Tarifabschluss war die IG Metall Vorreiterin für diese gesetzliche Verbesserung. In einem tarifgebundenen Betrieb der Metall- und Elektroindustrie ist ein Beschäftigter nicht auf die Brückenteilzeit angewiesen und hat auch noch viele Vorteile: So kann die im Tarifabschluss geregelte verkürzte Vollzeit auf bis zu maximal 28 Stunden mehrmals hintereinander genommen werden. Wichtig ist, dass es keine Einschränkungen für kleinere und mittlere Betriebe gibt. Und das größte Pfund: Der Tarifabschluss wird von der IG Metall und den Betriebsräten direkt umgesetzt. Die Brückenteilzeit müssen Beschäftigte im ungünstigsten Fall alleine vor dem Arbeitsgericht erstreiten.
... und das ist ein Fehler. Es gibt zu wenig Weiterbildung für Teilzeitbeschäftigte. Und Führungskräfte in Teilzeit sind so exotisch wie ein Eisbär in der Wüste.
„Wir müssen die Umbrüche im Sinne der Beschäftigten gestalten ― und das funktioniert über innovative Mitbestimmung.“
Wir fordern die Arbeitgeber, überall! Es ist komplett widersinnig. Sie jammern auf der einen Seite über zu wenige Fachkräfte. Auf der anderen Seite verweigern sie vielen Frauen in Teilzeit, länger zu arbeiten. Wir arbeiten daran, das zu ändern.
Wir können nur dann erfolgreich mehr Zeitsouveränität für Frauen und für Männer verwirklichen, wenn sie bei der Kinderbetreuung unterstützt werden. Was wir brauchen, sind mehr, bessere und günstigere Kindertagesstätten. Das „Gute-Kita-Gesetz“ setzt da richtige Impulse. Der Ausbau der Ganztagsbetreuung an den Schulen muss jetzt allerdings ebenfalls vorankommen. Denn gute Betreuung ermöglicht vielen Kindern Zugang zu Bildung und fördert gleiche Startbedingungen.
Digitalisierung kann für viele Beschäftigte zu mehr individuellen Gestaltungsspielräumen in der täglichen Arbeitsgestaltung führen. Mobiles Arbeiten kann dabei unterstützen, Vereinbarkeitsprobleme zu lösen. Allerdings darf die Arbeitszeit dadurch nicht länger werden. Und es braucht eine klare Trennung zwischen Arbeit und Privatleben: Rund um die Uhr persönliche Mails zu lesen, ist bestimmt nicht der richtige Weg. Die Beschäftigten müssen auch abschalten können.
Wir müssen die Umbrüche im Sinne der Beschäftigten gestalten ― und das funktioniert über innovative Mitbestimmung: Es braucht in den Betrieben vorausschauende Qualifizierungsmaßnahmen und die Beteiligung der Beschäftigten. Mich treibt um, welche Auswirkungen Digitalisierung in den klassischen Büro und Verwaltungsbereichen hat. Hier arbeiten über 100 000 unserer weiblichen Mitglieder. Wir müssen das Büro der Zukunft denken, um so vorausschauend neue Arbeitsplätze zu schaffen, wenn andere wegfallen. Mehr Büromanagement, mehr Kundenkontakt und Verständnis für neue Geschäftsmodelle sind hier Stichworte.
Wir müssen technischen Fortschritt für sozialen Fortschritt nutzen. Wenn das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik gut gestaltet wird, kann Digitalisierung einen Beitrag zur Humanisierung der Arbeit leisten. Beispielsweise kann körperliche Belastung verringert werden. Auch unser duales Ausbildungssystem ist einzigartig und die Beschäftigten sind es gewohnt, sich auf neue Abläufe einzustellen. Wir als IG Metall verschaffen uns mit dem Transformationsatlas in den Betrieben einen Überblick, ob und welche digitale Technik bereits eingesetzt wird ― und welche Auswirkungen das auf Arbeitsplätze, Tätigkeitsprofile und Qualitätsanforderungen hat. Wir wollen Entwicklungen früh erkennen und vorausschauend eingreifen. Die IG Metall lebt vom Wissen und dem Erfahrungsschatz der Beschäftigten, Vertrauensleute und Betriebsräte. Die Umbrüche werden groß sein. Aber wir können sie erfolgreich mitgestalten.