Den Anspruch, gleich auch ein Tabu anzugehen, haben nicht viele Gesetze: Mit den Kollegen übers Geld sprechen? In Betrieben ist das oft noch immer verpönt. Beim Automobilzulieferer Faurecia hat sich eine Angestellte getraut, den individuellen Auskunftsanspruch des Entgelttransparenzgesetzes genutzt und nach einer Anpassung des Arbeitgebers erheblich mehr Entgelt. Sie bleibt allerdings eine Ausnahme. Die Resonanz ist ansonsten sehr gering, berichtet Sabine Rainer, Betriebsrätin bei Faurecia in Augsburg.
Wie schwer das Entgelttransparenzgesetz Fahrt aufnimmt, zeigt eine repräsentative Studie der Hans-Böckler-Stiftung: Viele zögern, ihren individuellen Auskunftsanspruch wahrzunehmen, der sowieso nur in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten gilt. Diese können nach dem Entgelttransparenzgesetz grundsätzlich verlangen, dass ihnen der Arbeitgeber das durchschnittliche Gehalt der Kollegen des jeweils anderen Geschlechts nennt, die eine ähnliche Arbeit leisten.
In 13 Prozent der mittelgroßen Betrieben mit 201 bis 500 Beschäftigten hat sich mindestens eine Person an den Betriebsrat gewandt, um auf diesem Weg ihr Gehalt überprüfen zu lassen. In großen Betrieben sind es immerhin 23 Prozent. „Das Entgelttransparenzgesetz kommt wie ein Tiger ohne Zähne daher“, sagt Betriebsrätin Rainer. Es fehlt etwa ein Rechtanspruch für Beschäftigte auf eine Gehaltsanpassung. Dem Arbeitgeber drohen außerdem keine Sanktionen, wenn er eine Benachteiligung nicht abstellt.
Außerdem gibt es zu viele Einschränkungen: „Das Gesetz kann in der jetzigen Form eigentlich nur für außertariflich Beschäftigte effektiv greifen, weil sich der individuelle Auskunftsanspruch auf die gleiche Entgeltgruppe beschränkt und kein Vergleich innerhalb des eigenen Geschlechts möglich ist“, sagt die Betriebsrätin von Faurecia. „Wenn Kolleginnen und Kollegen dagegen richtig nach Tarif eingruppiert sind, gibt es bei uns keine Probleme in Sachen Entgeltgerechtigkeit zwischen Frauen und Männern.“
Der Gender Pay Gap, die unbereinigte Entgeltlücke, liegt in Deutschland seit Jahren bei 21 Prozent. Das heißt, Frauen verdienen im Durchschnitt pro Stunde deutlich weniger als Männer. Durch Tarifverträge wird die Entgeltlücke allerdings erheblich kleiner. Sie liegt zehn Prozentpunkte unter der von Unternehmen, die keinen Tarifvertrag haben.
Auch Roland Beck, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Philips, findet, dass viele Regelungen des Entgelttransparenzgesetzes ins Leere laufen. Daher wird der Betriebsrat aktiv: „Wir wollen die jährlichen Beurteilungen und die damit verbundene Leistungszulage analysieren“, sagt Roland Beck. Sollten systematische Benachteiligungen auftreten, will der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber über die Anwendung eines verbindlichen Prüfverfahrens sprechen. Grundsätzlich wurde das Verfahren bereits in einer Betriebsvereinbarung festgehalten.
„Solche verbindlichen Prüfverfahren müssen im Gesetz für alle Betriebe mit gesicherten Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats festgeschrieben werden“, fordert Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall. „Wir machen uns für deutliche Nachbesserungen stark.“