1. Mai 2020
Christoph Böckmann
Klimaschutz
Corona killt Klima
Selbst der Klimaschutz leidet unter dem Coronavirus. Denn durch die wirtschaftlichen Einbußen wird Unternehmen das Geld für Investitionen fehlen, die eine klimaschonende Produktion ermöglichen.

Ein paar Wirtschafts- und Wachstumskritiker versuchen gerade, das Coronavirus für ihre Zwecke auszuschlachten. Doch das, was sie gerade verbreiten, beruht auf einem Trugschluss: Corona sei gut fürs Klima, lautet ihre Fehleinschätzung. Doch insbesondere Klimaschützer wehren sich gegen diese Darstellung. Denn sie greift viel zu kurz. Sicher, da viele Unternehmen ihre Produktion anhalten mussten und der Reiseverkehr zum Erliegen gekommen ist, strömt aktuell weniger CO₂ in die Atmosphäre. Deutschland wird dieses Jahr so seine Klimaziele erreichen, vielleicht sogar übertreffen. Ein milder Winter, aber auch die Coronapandemie machen möglich, womit vergangenes Jahr kaum einer rechnete: Die CO₂-Emissionen 2020 werden wohl um 40 bis 45 Prozent gegenüber 1990 sinken, besagen die neusten offiziellen Einschätzungen. Doch das ist kein Anlass für Jubelarien, denn das ist nur ein sehr kurzer Effekt. Langfristig gesehen wird Corona den Klimawandel beschleunigen, wenn die Politik jetzt nicht gegensteuert.

Die IG Metall und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sprechen sich deshalb gemeinsam für einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft als nachhaltigen Weg aus der Krise aus. „Wir teilen die Vision eines guten Lebens für alle. Dieses Leitbild eint uns, auch in Krisenzeiten“, so IG Metall und BUND.


Stahl

Die Stahlhütten trifft die Coronakrise zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Finanzielle Einbußen durch den Stillstand der europäischen Wirtschaft können sie gerade gar nicht gebrauchen. Denn sie ­haben eine Mammutaufgabe vor sich: Um künftig klimaneutral zu produzieren, müssen sie ihre Produktion umstellen. Der Hochofen der Direktreduktionsanlage weichen. Statt mit Kokskohle wird dann mit Wasserstoff Stahl produziert. Doch der Umbau ist teuer: Mindestens 30 Milliarden Euro wird er kosten. Das ist eine Summe, die deutsche Stahlproduzenten nicht allein aus eigenen Mitteln aufbringen können, besonders nicht nach der Krise. Die Bundesregierung wird den Umbau finanziell unterstützen müssen. Nur dann wird sie ihre Klimaziele erreichen können.


Maschinenbau

Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau ist dafür bekannt, immer effizientere Maschinen zu produzieren. Von Maschinengeneration zu Maschinengeneration verbrauchen sie weniger Energie. Für die Betreiber heißt das: geringere Produktionskosten. Und auf das Klima wirkt sich der geringere Energieverbrauch durch die damit verbundenen sinkenden CO₂-Emissionen natürlich positiv aus. Doch um weiter effizientere Maschinen zu entwickeln, sind Investitionen erforderlich. Das Problem ist: Schon vor der Coronakrise haben die Unternehmen im Maschinenbau zu wenig in Forschung, Entwicklung und Produktionsanlagen investiert. Nun werden sie es sich vielerorts gar nicht mehr leisten können. Denn viele Maschinen- und Anlagenbauer können aufgrund der Coronakrise aktuell ihre Aufträge nicht ausliefern. Zudem sind die Lieferketten unterbrochen. Den Betrieben ist ein großer Teil ihrer Einnahmen weggebrochen. Einnahmen, die ihnen nun bei der Entwicklung und Produktion neuer klimaschonender Maschinen und Anlagen fehlen. Die Politik hat zwar angekündigt, Unternehmen mit Krediten zu unterstützen, die vor der Pleite stehen, doch bei Investitionshilfen verfährt sie bislang eher zögerlich. Für das Klima ist das eine schlechte Nachricht.


Automobil

Alle großen deutschen Hersteller hielten die Bänder an: VW, Daimler, BMW, Audi, Porsche, Ford, Opel. Und mit ihnen viele der hiesigen Zulieferbetriebe. Die Ausbreitung des Coronavirus soll weiter minimiert werden, zudem fehlten Vorprodukte aus China, Italien oder Osteuropa. Für die Firmen bedeutet der Produktionsstopp massive Umsatzeinbußen. Dazu kommt: In Krisenzeiten überlegen sich die Menschen zweimal, ob sie sich ein neues Auto kaufen. Die Nachfrage schwächt sich also ebenfalls ab. Obendrein ist fraglich, ob sie am Ende der Krise auch so schnell und in dem Maße wieder anziehen wird. Das Problem für den Klimaschutz: ohne Einnahmen keine Investitionen. Dabei wären diese bitter nötig. Die Branche steckt mitten in der Transformation. Sie muss ihre Produktpalette komplett umkrempeln: Statt Verbrennern soll sie klimaneutrale Autos auf den Markt bringen. Den Autobauern bleibt keine Wahl: Die EU schreibt genau vor, wie viel CO₂ die verkaufte Flotte jeweils in den kommenden Jahren im Schnitt verbrauchen darf. Damit die Autoindustrie trotz Coronaeinbußen diese Richtlinien einhalten und die Transformation hin zur klimaneutralen Mobilität bewältigen kann, wird die Politik finanziell in die Bresche springen und die Mobilitätswende noch stärker unterstützen müssen.


Energie und Wärme

Das Coronavirus hemmt die Energie- und Wärmewende. Im Energieanlagen und Kraftwerksbau fehlt es an Förderungen. Die Modernisierungsrate bei Gebäuden ist zu niedrig. Und schon seit geraumer Zeit werden kaum mehr Windräder aufgestellt, dazu droht der Solarausbau einzubrechen. Verantwortlich sind langwierige Genehmigungsverfahren, eine Besteuerung, die erneuerbare Energien künstlich verteuert, sowie das drohende Ende der finanziellen Förderung von Solaranlagen. Doch was hat Corona mit den nachteiligen Rahmenbedingungen zu tun? Das Virus zementiert sie. So sollten die Ministerpräsidenten Mitte März über Anpassungen bei der Energiewende sprechen, doch Corona machte eine neue Tagesordnung nötig. Das heißt: Je länger Covid-19 die Politik in Beschlag nimmt, desto langsamer wird die Energie- und Wärmewende vollzogen.


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