Jörg Hofmann: Was zurzeit in manchen Betrieben passiert, ist eine Schande. Fast alle Zulieferkonzerne haben in den letzten Wochen Standortschließungen und Personalabbau in die Diskussion gebracht. Da wird eine aktuelle Absatzflaute ausgenutzt, um die Abrissbirne zu schwingen. Es sind dieselben Konzerne, die gleichzeitig in Osteuropa Kapazitäten aufbauen. Das können und werden wir nicht hinnehmen.
Wenn die Renditeträume nicht so aufgehen, wie sie in den vergangenen Jahren von den Belegschaften erwirtschaftet wurden, dann mögen darunter die Boni der Vorstände leiden. Das kann doch keine Begründung für Personalabbau sein. Wie soll man die Belegschaften für ein engagiertes Mitmachen in der Transformation gewinnen, wenn nun im ersten Moment einer konjunkturellen Flaute das Miteinander aufgekündigt wird? Ich kann nur sagen: Krise heißt nicht Entlassung. Krise heißt Verantwortung ― und für die stehen die IG Metall und ihre Betriebsräte.
Wir haben schon in zahlreichen Betrieben Zukunftsvereinbarungen durchgesetzt. Das sind verbindliche Abmachungen mit der Unternehmensleitung, die die Produktion sichern, Zukunftsprodukte an die Standorte holen, Qualifizierungsangebote schaffen. Wir sollten solche Vereinbarungen in möglichst vielen Betrieben erkämpfen.
Wir werden gegenüber dem Gesetzgeber weiter deutlich machen, dass er handeln muss, und zwar schnell. Wir brauchen einen gesetzlichen Anspruch auf Weiterbildung für die Jobs von morgen. Wir brauchen das Transformations-Kurzarbeitergeld, um Kurzarbeit mit Qualifizierung zu verbinden. Und wir brauchen einen erneuerten Sozialstaat, der mehr Sicherheit gibt, als es jetzt der Fall ist.
Auf die Leimspur einer Lohnzurückhaltung lassen wir uns nicht locken. Wir haben immer Forderungen gestellt, die zu den ökonomischen Realitäten passen. Das gilt auch für die Tarifrunde 2020. Im Moment trägt die Binnennachfrage die Konjunktur ― aufgrund unserer guten Entgeltabschlüsse der Vergangenheit.
Wir brauchen eine klare Stärkung der Mitbestimmung. Einerseits um die Transformation im Interesse der Beschäftigten zu gestalten. Andererseits aber auch, um Finanzinvestoren in die Schranken zu weisen. Allein 2017 wurden in Deutschland 217 Unternehmen von Finanzinvestoren übernommen. Davon 70 Prozent aus dem Ausland.
Oft wollen die Investoren die Unternehmen filetieren. Mitbestimmung kann das verhindern. Nicht der Kurs am Kapitalmarkt darf bestimmen, ob Standorte geschlossen, Beschäftigte entlassen, Unternehmensteile verkauft werden. Die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens muss im Mittelpunkt stehen.
Die IG Metall kann die anstehenden Aufgaben schultern, weil wir mitgliederstark sind und Tausende engagierte Kolleginnen und Kollegen in unseren Reihen haben. Wir haben allen Grund, selbstbewusst zu sein. Wir haben dem Industriekapitalismus immer wieder bessere Arbeits- und Lebensbedingungen abgerungen. Unsere IG Metall, wir alle zusammen, werden auch die nächsten Jahre dafür kämpfen, dass wir unserem Ziel einer humanen, solidarischen und vielfältigen Gesellschaft näherkommen.
Was der Gewerkschaftstag der IG Metall für die kommenden vier Jahre beschlossen hat: igmetall.de/gewerkschaftstag