Was heute noch den Anforderungen am eigenen Arbeitsplatz genügt, kann in wenigen Monaten oder Jahren schon nicht mehr reichen. Diese Erkenntnis ist bei vielen Beschäftigten der Ausgangspunkt für den Wunsch nach (mehr) Weiterbildung. Denn sie wissen: Fortwährende Qualifizierung wird immer wichtiger und ist ein entscheidender Schlüssel, um mit dem technologischen und digitalen Wandel Schritt halten zu können. Eine Möglichkeit, sich fortzubilden, liegt im Studium. Die IG Metall fordert, die Rahmenbedingungen für Berufserfahrene zu verbessern, damit der sogenannte dritte Bildungsweg auch konsequent beschritten werden kann und zu mehr sozialer Durchlässigkeit zwischen Berufsbildungs- und Hochschulsystem führt.
Über 8000 der rund 19 000 Studiengänge an deutschen Hochschulen lassen sich laut Centrum für Hochschulentwicklung auch ohne Abitur oder Fachabitur belegen. Je nach Regelung des Bundeslandes genügen eine Ausbildung und/oder mehrjährige Berufserfahrung, um ein Studium im eigenen Fachgebiet zu beginnen. Meister, Techniker und Fachwirte können unter bestimmten Voraussetzungen direkt in ein Studium einsteigen und das Fach frei wählen. Der Start ins Studium ist entweder sofort möglich oder nach einem Beratungsgespräch beziehungsweise einer Zulassungsprüfung. In einigen Bundesländern gibt es die Möglichkeit eines Probestudiums. Wer also ein Studium plant, sollte sich über die Regelungen in den Bundesländern informieren. Wir haben auf igmetall.de eine Übersicht zusammengestellt.
Weitere Infos gibt es unter: studieren-ohne-abitur.de
In einigen Bundesländern ist ein Beratungsgespräch Pflicht, um ein Studium ohne Abitur beginnen zu können. Ausreichende Informationen sind für die Studieninteressenten wichtig, um nicht mit völlig falschen Erwartungen an die Uni zu gehen und womöglich nach kurzer Zeit das Studium hinzuwerfen. Daher empfiehlt es sich vorab, das Beratungsangebot und mögliche Schnuppertage der Hochschulen wahrzunehmen ― auch wenn dies keine Zugangsvoraussetzungen sind.
Mitglieder der IG Metall haben in der Metall- und Elektroindustrie Anspruch darauf, sich bis zu sieben Jahre lang weiterzubilden oder zu studieren. Das ist in Teilzeit neben der Arbeit möglich. Beschäftigte können für die Weiterbildung auch ganz aus dem Betrieb herausgehen, wobei der Betrieb ihnen schriftlich zusagt, dass sie danach wieder eingestellt werden. Wer fünf Jahre im Betrieb ist, kann Bildungsteilzeit beim Arbeitgeber beantragen. Dann haben Beschäftigte auch die nötige Berufserfahrung nach der Ausbildung gesammelt, um sich fortzubilden oder ohne Abitur zu studieren.
In der Praxis bekommen Berufstätige vielerorts Unterstützung bei ihrem Wunsch, ohne Abitur an eine Universität oder Hochschule zu gehen. Fragt bei Eurem Betriebsrat oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung nach, ob und welche Möglichkeiten es bei Euch im Betrieb gibt. Bestehen entsprechende Modelle im Unternehmen, können auf diese Weise gezielt Talente aus den eigenen Reihen gefördert werden. Das erleichtert auch nach einem Studium die Rückkehr in den Betrieb, weil dann oft ein Plan besteht, wo und wie der Weiterbildungswillige am sinnvollsten wieder eingesetzt wird. Im besten Fall profitieren beide, Mitarbeiter und Chef.
Schaffe ich das überhaupt? Liegen die Schulkenntnisse nicht zu lange zurück? Mit solchen Fragen setzen sich beruflich Qualifizierte häufig auseinander, wenn es sie an die Hochschule zieht. Für sie gibt es aber Unterstützung durch Vorbereitungskurse an der Hochschule. Ein solches Angebot besteht meist in Fächern wie Mathematik oder Physik, in denen die Studienabbrecherquoten hoch sind. Einfach vor Ort nachfragen und dann Kurse belegen.
Ist der Schritt ins Studium mal getan, stehen viele vor der Herausforderung, auch zielstrebig zu bleiben. Studium, Familie und vielleicht auch noch eine Beschäftigung miteinander vereinbaren? Das kann entbehrungsreich sein. Doch es lohnt sich und der Einsatz trägt Früchte: Studierende ohne Abitur sind ähnlich erfolgreich wie Kommilitonen mit, wie eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) zeigt. Demnach gleichen sich die Noten spätestens im dritten Semester an, zum Examen gibt es kaum noch Unterschiede. Studierende ohne Abitur haben vor allem in der Anfangsphase des Studiums ein höheres Abbruchrisiko als Studierende mit Allgemeiner Hochschulreife oder Fachhochschulreife. Je länger sich beruflich qualifizierte Studierende jedoch im Studium befinden, desto weniger unterscheiden sie sich von traditionellen Studierenden.
Beruflich Qualifizierte, die es in die Hörsäle zieht, stehen vor der Frage, wie sie ihr Voll- oder Teilzeitstudium finanzieren können. Anspruch auf BAföG haben sie ― es gilt aber, die Altersgrenzen zu beachten. Denn wer Unterstützung für ein Bachelor-Studium haben will, darf nicht älter als 30 sein. Beim Master liegt die Grenze bei 35. Ausnahmegenehmigungen für beruflich Qualifizierte sind allerdings möglich.
Eine weitere Option liegt im Aufstiegsstipendium. Es richtet sich vor allem an Interessenten, die ihre Hochschulzugangsberechtigung durch die Anerkennung einer besonderen fachlichen Begabung oder eine berufliche Fortbildung (Meister, Techniker oder vergleichbare Abschlüsse) erworben haben.
Interessant ist ein Stipendium von Stiftungen. Bei der Hans-Böckler-Stiftung zum Beispiel können sich gewerkschaftlich und sozial Engagierte mit guten Leistungen bewerben.