Der Laden brummt beim Küchenhersteller Pronorm in Vlotho, Nordrhein-Westfalen. In den letzten zwei Jahren stieg der Umsatz von 65 Millionen auf 75 Millionen Euro. Zwar flaut der Boom gerade etwas ab, doch die Zeitkonten der Beschäftigten sind immer dick im Plus.
Die Tarifforderung der IG Metall ― 5,5 Prozent mehr Geld für die Beschäftigten in der Holz- und Kunststoffindustrie und ein Extraplus für die Auszubildenden ― kommt gut an bei den Pronorm-Beschäftigten. „Das passt, auch für die Betriebe, denen es nicht ganz so gut geht“, meint der Betriebsratsvorsitzende Peter Engel. „Den Beschäftigten wird immer mehr Leistung, Flexibilität und Qualifikation abgefordert. Daher haben sie auch deutlich mehr Geld verdient.“
Dass die Anforderungen an die Pronorm-Beschäftigten stetig steigen, liegt in erster Linie an der Digitalisierung. Pronorm hat sich das Ziel gesetzt, individuelle Wünsche der Kunden ― „Losgröße 1“ ― schnell umzusetzen. Seit Beginn des Jahres hat die Firma ein neues System zur Ressourcenplanung (Enterprise Resource Planning, ERP) eingeführt. Über eine Grafikoberfläche erteilen die Kunden Aufträge, die dann automatisch Materialbestellungen, Produktions- und Verladelisten auslösen.
„Dadurch ändert sich die Arbeit dramatisch“, erklärt Engel. „Es ist dringend nötig, dass wir unsere Leute dafür umfassend qualifizieren.“ Engel und seine Kolleginnen und Kollegen im Betriebsrat haben früh erkannt, dass sie sich bei der Digitalisierung einmischen müssen. Vor fast drei Jahren haben sie gemeinsam mit der IG Metall ein Projekt durchgesetzt: Der Arbeitgeber hat umfangreiche Investitionen zugesagt, darunter in die Qualifizierung. Gemeinsam mit der Geschäftsleitung und den Beschäftigten ermittelt der Betriebsrat systematisch die Veränderungen der Arbeit und den Weiterbildungsbedarf.
Klar ist bereits jetzt: Der Takt der Arbeit wird schneller. Mehr Aufträge, weniger Fehler, flexibler. Und Pronorm ist kein Einzelfall. Die Holz- und Kunststoffindustrie steckt mitten in der Digitalisierung.
„Das muss auch entsprechend bezahlt werden“, findet Engel, der auch Mitglied der Tarifkommission für die Holz- und Kunststoffindustrie in Westfalen-Lippe ist. Am 7. Oktober starten die Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern. Engel sitzt mit am Verhandlungstisch.
Die Lage der Holz- und Kunststoffindustrie ist besser als die anderer Wirtschaftsbereiche, wo die Konjunktur etwas abkühlt. Das Baugewerbe boomt weiter. Hochwertige Möbel, wie Pronorm-Küchen, sind gefragt wie nie. Die Neuzulassungen von Wohnmobilen und Caravans haben sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Die Umsätze und die Zahl der Beschäftigten steigen.
Ein Problem hat die Holz- und Kunststoffindustrie allerdings: Die Betriebe suchen händeringend Fachkräfte und Nachwuchs. Im Schnitt dauert es 139 Tage, bis offene Stellen besetzt werden, 24 Tage länger als in der gesamten Wirtschaft. Um die Branche attraktiver zu machen, fordert die IG Metall neben 5,5 Prozent mehr Geld ein überproportionales Plus für Auszubildende. Die Tarifaktionen in der Holz- und Kunststoffindustrie starten Mitte Oktober.
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