1. Oktober 2020
Interview
Eine Chance zur Neuausrichtung der Globalisierung
Der Globalisierungskritiker und Harvard-Professor Dani Rodrik fordert einen Neustart der Globalisierung.

SARS-CoV-2 hat die Schwachstellen und Abhängigkeiten der Wirtschaftsbeziehungen offengelegt. Lieferketten brachen, Absatzmärkte wurden unerreichbar. Bedeutet Corona das Ende der Globalisierung?

Dani Rodrik: Die Krise hat gezeigt, dass wir die Globalisierung überdenken und neu ausrichten müssen. Durch die Covid-19-Pandemie war sie in einer Zwangspause, stoppen lässt sich die Globalisierung jedoch nicht. Nüchtern betrachtet wird Covid-19 die Welt nicht zum Positiven verändern. Aber jetzt ist die Chance für eine Neuausrichtung der Globalisierung, die wir nutzen sollten.


Wie könnte ein Neustart aussehen?

Die Hyperglobalisierung der vergangenen Jahrzehnte hatte hohe ökologische und soziale Kosten. Verlierer waren prekär Beschäftigte im informellen Sektor, die jetzt die Folgen der Coronakrise besonders schmerzhaft zu spüren bekommen. Wir brauchen neue globale Regeln und starke nationale Sozialsysteme, um die Menschen besser zu schützen. Gleichzeitig müssen Märkte stärker reguliert werden, etwa durch staatliche Industriepolitik.


Wie wahrscheinlich ist es, dass die Staaten  nun dauerhaft die Schotten schließen, also zum Isolationismus à la Trump greifen?

Die globale Zusammenarbeit nicht nur beim Klimawandel, in der Gesundheitsversorgung und bei den Regeln von fairem Handel ist alternativlos. Es gibt viele Arten von Globalisierung. Aber man muss nicht jeden Preis zahlen, den der globale Markt verlangt.  Menschen dürfen nicht zum Spielball der Kräfte des freien Marktes werden.


Wie hat aus Ihrer Sicht Deutschland die Coronakrise bisher gemeistert?

Deutschland hat besonnen agiert, das Virus rechtzeitig eingedämmt, umfassende Hilfen beschlossen und ein Konjunkturprogramm aufgelegt. Viel mehr geht nicht.


Wird sich der Job von Gewerkschaften ändern?

Die Arbeitsbedingungen von Menschen werden in vielen Ländern unter Druck kommen. Deshalb wird der Job von Gewerkschaften härter. Die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen als zentrale Forderung von Gewerkschaften ist jetzt wichtiger denn je.




Zur Person

Dani Rodrik lehrt internationale politische Ökonomie in Harvard und ist einer der prominentesten Kritiker einer ungezügelten Globalisierung. 


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