Airbus, Continental, MAN, Schaeffler: Kaum ein Tag vergeht, ohne dass Manager Horrorzahlen verkünden. Ihr Totschlagargument: Covid-19. Die Krise, die alles auf den Kopf stellt und – leider, leider – nur durch schmerzhafte Einschnitte zu bewältigen sei. Hinzu kommt die Transformation mit der Digitalisierung und dem Schwenk zur E-Mobilität.
Die Coronakrise ist real. Doch vielen Unternehmen dient sie auch als Vorwand, um Kahlschlagpläne aus der Schublade zu ziehen, die so alt wie einfallslos sind: Löhne kürzen, Arbeitsplätze abbauen, Standorte schließen, weiterziehen.
Wo bleiben die Beschäftigten? Sie sind zu Recht wütend. Viele gehen auf die Straße, vor die Werkstore. Gemeinsam mit der IG Metall fordern sie Sicherheit – und mehr Kreativität im Umgang mit der Coronakrise und mit den Herausforderungen der Transformation.
Zukunftskonzepte sind gefragt. IG Metall, Betriebsräte und Beschäftigte haben viele Ideen. Doch in vielen Betrieben geben die Buchhalter den Ton an und nicht die Entwickler und Fachkräfte. Das gefährdet Arbeitsplätze und den langfristigen Unternehmenserfolg.
Die IG Metall will solidarisch aus der Krise und durch die Transformation kommen. Nicht Arbeitsplätze, sondern Arbeitszeiten sollen reduziert werden. Dafür macht die IG Metall erfolgreich Druck in Berlin, etwa für Kurzarbeit. Sie organisiert Widerstand gegen den Kahlschlag, etwa bei Airbus, Continental und Norma. Sie sichert Arbeitsplätze und Zukunft in den Betrieben, wie bei ZF. Zusätzlich entwickelt sie neue Ideen – wie die Viertagewoche. In wenigen Wochen startet ja auch wieder die Tarifrunde.
Das Werk Gerbershausen in Thüringen mit 160 Menschen wird geschlossen und ins billigere Ausland verlagert. In Maintal in Hessen werden bis zu 200 Arbeitsplätze abgebaut. Zusätzlich sollen die Beschäftigten auf bis zu 1000 Euro Lohn im Monat verzichten.
Das verkündete die Geschäftsleitung des Autozulieferers Norma Mitte Juni. Dabei brummt der Laden, trotz Corona. Norma beliefert fast alle großen Autohersteller mit Schlauchschellen für Verbrenner – weltweit.
„Durch Corona hatten sie keine 17, sondern nur noch 8 Prozent Rendite“, kritisiert der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Ditzel. „Da haben sie einfach einen Dreisatz gerechnet – und gesagt: 360 müssen raus.“
Das lassen sich die Beschäftigten nicht bieten. Gemeinsam mit der IG Metall nehmen sie den Kampf auf. Fast alle treten in die Gewerkschaft ein. Selbst Führungskräfte sind dabei. Außerdem engagieren sich immer mehr, zum Beispiel als Vertrauensleute. Gemeinsam mit Experten der IG Metall entwickeln sie eine Strategie und eine Kampagne, stimmen über ihre Forderungen an den Arbeitgeber ab und nehmen Verhandlungen auf.
Die Beschäftigten wollen mit dem Arbeitgeber einen Zukunftspakt entwickeln. „Wir haben zukunftsträchtige Produkte im Bereich Elektrotechnik“, erklärt IG Metall-Vertrauensfrau Samantha Kappes. „Es wäre wichtig, neue Produkte reinzuholen, statt nur kurzsichtig Personal abzubauen und dann in ein paar Jahren wieder Probleme zu bekommen.“
Anfang September ist es so weit: ihr erster Warnstreik. Der Arbeitgeber mauert in den Verhandlungen und braucht Druck. Weitere Warnstreiks folgen. Denn allen ist klar: Ohne Widerstand kriegen sie gar nichts. Die Urabstimmung bei Norma ist vorbereitet. Zum Redaktionsschluss dieser metallzeitung liefen die Verhandlungen noch: Ergebnis – oder Streik.
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Betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen sind beim Autozuliefererkonzern ZF bis Ende 2022 ausgeschlossen, trotz Corona und Transformation. Nicht Arbeitsplätze, sondern Arbeitszeiten werden reduziert, zunächst über Kurzarbeit, dann über eine spezielle tarifliche Kurzarbeit, bei der Beschäftigte mindestens 87 Prozent ihres normalen Nettolohns erhalten. Auch die Ausbildung und die Übernahme danach sind sicher.
Ganz wichtig: Für jeden Standort entwickeln die Betriebsräte mit den Standortleitungen „Zielbilder“. Getriebe etwa werden in Elektroautos nicht mehr benötigt. Es müssen neue Produkte her. Sachverständige aus der Belegschaft unterstützen die Betriebsräte. Schließlich sind die Beschäftigten Experten ihrer Arbeit.
Im Gegenzug verzichten die Beschäftigten im Jahr 2020 auf einen Teil ihres tariflichen Zusatzgelds (T-ZUG B) – einmalig knapp 400 Euro.
Dieses Zukunftssicherungspaket haben IG Metall und ZF-Gesamtbetriebsrat in zwei Tarifverträgen mit der Konzernspitze ausgehandelt. 15 000 Arbeitsplätze wollte die Konzernspitze eigentlich abbauen. Das war schnell vom Tisch. Vor den Verhandlungen hat die IG Metall die ZF-Beschäftigten befragt. Mehr als 12 000 Rückmeldungen gingen ein. Fast 17 000 Beschäftigte an 30 ZF-Standorten machten mit Aktionen Druck.
„Ohne die IG Metall hätten wir nicht die notwendige Gegenwehr entfalten können“, erklärt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Achim Dietrich. „Der Tarifabschluss ist Ergebnis der breiten Beteiligung an allen Standorten. Die IG Metall hat da ihre ganze Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit gezeigt.“
Jetzt beginnen die Gespräche über „Zielbilder“ an den Standorten, überwacht vom Gesamtbetriebsrat.
„Wir haken seit Jahren nach, nach neuen Produkten, aber da kam nie was von ZF“, erklärt Udo Hirsch, IG Metall-Vertrauenskörperleiter bei ZF Guss in Nürnberg. „Wir haben Ideen, etwa Gehäuse für Elektromotoren. Und durch die Zielbild-Gespräche haben wir jetzt deutlich bessere Chancen.“
Mit einem bundesweiten Aktionstag haben die Beschäftigten beim Flugzeughersteller Airbus und bei der Tochterfirma Premium Aerotec gegen Arbeitsplatzabbau demonstriert, unter anderem in Augsburg, Bremen, Hamburg, Kassel-Calden, Nordenham, Stade und Varel. Beschäftigte und IG Metall fordern den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, den Erhalt der Ausbildung und der Übernahme.
„Wir brauchen intelligente Lösungen statt Massenentlassungen“, forderte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. „Mit Kurzarbeit, Viertagewoche, Arbeitszeitverkürzungen und anderen Instrumenten können wir die Mannschaft bis nach der Krise an Bord halten.“
Bei Redaktionsschluss dieser metallzeitung liefen noch Tarifverhandlungen.
Coronakrise und Transformation − dem Vorstand der Continental AG fällt dazu nichts Besseres ein als ein Sparprogramm. Über eine Milliarde Euro möchte er gerne künftig jährlich einsparen. Und das auf Kosten der Beschäftigten. Bis zu 30 000 Jobs sind gefährdet, 13 000 davon in Deutschland. Mit dem geplanten Stellenabbau setzt das Management die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens leichtfertig aufs Spiel. Denn wer nach der Krise wieder voll angreifen will, braucht Fachkräfte. Gegen den geplanten Kahlschlag wehren sich die Beschäftigten gemeinsam mit der IG Metall und der IG BCE. In einer bundesweiten Aktionswoche zeigten sie den Continental-Bossen lautstark, dass sie nichts von deren Plänen halten. Notwendig ist eine in die Zukunft gerichtete Geschäftsstrategie und kein plumpes Sparprogramm.
Es geht weiter bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG). Einen Tag vor dem Aus erklärt Investor Lars Windhorst, dass er die Werft übernimmt und Aufträge für zwei neue Schiffe mitbringt. Die Beschäftigten blasen ihre Aktion am Berliner Olympiastadion ab. Windhorst sponsert den Fußballverein Hertha BSC mit fast 400 Millionen Euro. Jetzt investiert er auch in die FSG. Sie sind raus aus der Insolvenz. Das haben IG Metall und Betriebsrat durch viele Gespräche, Kontakte in die Politik und öffentlichen Druck erreicht. 360 der rund 650 Beschäftigten bleiben bei der FSG. Die übrigen werden sechs Monate in einer Transfergesellschaft weiterbeschäftigt, qualifiziert und in Stellen vermittelt. Wenn die FSG weitere Aufträge an Land zieht, werden sie als Erste wieder eingestellt. Viele haben bereits neue Jobs.
„Ohne die super Arbeit des Betriebsrats und der IG Metall Flensburg wären wir alle bei der Arbeitsagentur gelandet“, meint IG Metall-Vertrauensmann Maurice Michler. Er macht nun über die Transfergesellschaft eine Fortbildung zum Techniker, komplett bezahlt.
„Über 90 Prozent bei uns sind IG Metall-Mitglied. Das war der entscheidende Faktor“, erklärt der Betriebsratsvorsitzende Thomas Jansen. „Als wir in Insolvenz gingen, hat der neue Geschäftsführer gefragt, wie das hier mit der Gewerkschaft ist. Ihm war sofort klar: Gegen die Beschäftigten und die IG Metall geht hier gar nichts.“