Der Kessel kocht, die Stimmung sowieso: Immer mehr Menschen strömen an diesem Donnerstag vom Cannstatter Wasen zur Stuttgarter Mahle-Zentrale, ein Meer aus roten Fahnen und IG Metall-Mützen. Die Demonstranten wollen wissen, was ihnen die Zukunft bringt. Aber vor allem wollen sie ihre Wut kundtun: über das Streichkonzert bei Mahle und die Sparkurse bei anderen Autozulieferern. Und über die Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen wird. So sagen es die Demonstranten – und pfeifen ihre Chefs aus Hunderten Trillerpfeiffen aus.
Sie haben allen Grund: Mahle will an den Stuttgarter Standorten fast 400 Stellen abbauen, zudem soll das Werk in Öhringen bis Ende 2020 schließen. Statt die Zukunft des Unternehmens mit allen Beteiligten zu gestalten, hält die Geschäftsführung die Belegschaft in ständiger Angst um die Arbeitsplätze. Dagegen wehren sich IG Metall und Betriebsräte nun. Am 12. Juli protestierten 650 Metallerinnen und Metaller parallel zu einer Aufsichtsratssitzung, am 25. Juli folgte der bundesweite Mahle-Aktionstag mit Solidaritätsaktionen in europäischen Werken. Unter den über 2000 Demonstranten in Stuttgart waren auch Beschäftigte von Bosch in Feuerbach und Daimler in Untertürkheim. Zudem reiste eine kleine Mahle-Delegation aus dem portugiesischen Murtede auf eigene Kosten an.
Michael Kocken, zuständiger Gewerkschaftssekretär der IG Metall Stuttgart, wies die Sparpläne auf der Kundgebung vehement zurück: „Mit Mitteln aus dem letzten Jahrhundert lassen sich die Herausforderungen der Zukunft nicht meistern. Als Gewerkschaft werden wir mit den Arbeitnehmern einen innovativen und kreativen Prozess gestalten, der Arbeitsplätze erhält und soziale Sicherheit schafft.“
Besonders groß ist der Unmut in Öhringen: Statt verantwortungsbewusst Zukunftsstrategien für die Standorte zu entwickeln, habe die Geschäftsführung in Öhringen am Standort vorbeigewurschtelt, schimpft Sonja Hanselmann, die dortige Betriebsratsvorsitzende. So verfüge Mahle durchaus über qualifizierte Mitarbeiter, Geld für Investitionen und gute Branchenkenntnisse. Statt damit die Zukunft zu gestalten, nutze man aber die Konjunkturabschwächung und Herausforderungen wie Elektromobilität und Digitalisierung, um am Personal zu sparen.
Auch IG Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger beobachtet mit Sorge, dass einige Unternehmen im Zuge der Transformation strukturelle Probleme lösen wollen. In jedem zweiten Betrieb in den baden-württembergischen IG Metall-Branchen werden derzeit Sparprogramme vorbereitet oder erwartet, Leidtragende sind in erster Linie die Beschäftigten. Zitzelsberger warnt: „Wer ganze Standorte kaputtspart und Investitions- und Weiterbildungsbudgets zusammenstreicht, wird die Zukunft nicht bewältigen können. Arbeitgebern, die ihre Zukunft vorrangig im Ausland sehen und ihre Beschäftigten vor Ort bluten lassen, werden wir mit massivem Widerstand entgegentreten.“
Die IG Metall verlangt von den Unternehmen Perspektiven für jeden Standort und für alle Beschäftigten. Dafür werde sich die Arbeitnehmervertretung einsetzen, so Uwe Schwarte, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Mahle: „Wir wollen den Wandel nicht blockieren, sondern voranbringen. Aber dazu brauchen wir endlich ein Bekenntnis und Konzepte zu den deutschen und europäischen Standorten sowie einen fairen Dialog zur Transformation, der unsere Beschäftigten darauf vorbereitet.“
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