Dr. Till Bender: Ja. Entgegen anderslautenden Gerüchten ist es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, eine Kündigung während einer Arbeitsunfähigkeit auszusprechen.
Ja. Dafür müssen aber unzumutbare Fehlzeiten vorliegen, die Zukunftsprognose muss negativ sein, und eine Interessenabwägung muss zugunsten des Arbeitgebers ausfallen. Diese drei Punkte überprüfen die Arbeitsgerichte.
Hier gilt, dass der Arbeitgeber bis zu 30 Fehltage pro Jahr hinnehmen muss. Ist der Beschäftigte mehr als 30 Tage (also 6 Wochen) im Jahr krank, so gilt dies grundsätzlich als unzumutbar.
Die Gerichte prüfen immer die letzten drei Jahre vor der Kündigung. War der Beschäftigte in drei Jahren immer mehr als 30 Tage krank, so droht eine Kündigung. Hier spricht man von häufigen Kurzerkrankungen. Mit einer Kündigung rechnen muss man außerdem, wenn eine dauerhafte oder lang anhaltende Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
Die Gerichte prüfen bei einer krankheitsbedingten Kündigung, ob wegen des Gesundheitszustandes des Beschäftigten auch in Zukunft damit gerechnet werden muss, dass dieser mehr als 6 Wochen im Jahr wegen Krankheit ausfällt. Muss mit unzumutbaren Fehlzeiten gerechnet werden, liegt eine negative Zukunftsprognose vor. Ist jemand lange Zeit krank, kommt es darauf an, ob mit einer Genesung zu rechnen ist und/oder ob er seine Arbeit noch ausüben kann.
Hier spielen vor allem Art und Häufigkeit der Krankheiten eine Rolle. Hat man einen Unfall oder wird zum Beispiel der Blinddarm entfernt, so kann oder muss hier davon ausgegangen werden, dass es nicht noch mal zu einem Ausfall kommt. Ist jedoch ein Beschäftigter immer wieder wegen der gleichen Sache arbeitsunfähig, so liegt nahe, dass eine chronische Krankheit vorliegt, die immer wieder zu Arbeitsunfähigkeit führen wird.
Nein. Es kann auch eine Kündigung rechtfertigen, wenn ein Beschäftigter über das Jahr verteilt immer wieder mehr als 6 Wochen wegen einer Bronchitis oder Rückenschmerzen ausfällt und so daran gehindert ist, seine Arbeit auszuüben.
Dem Gericht muss immer eine Aufstellung der Krankenkasse über die Arbeitsunfähigkeitszeiten der letzten drei Jahre vorgelegt werden. Diese muss die Diagnosen angeben. Das Gericht kann dann Stellungnahmen der behandelnden Ärzte einholen. Sollte sich die Prognose dann nicht beurteilen lassen, kann ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Hier kommt es auf Seite des Arbeitgebers darauf an, ob und welche Probleme dabei auftreten, um den kranken Beschäftigten zu ersetzen. Außerdem darauf, wie hoch die Kosten der Entgeltfortzahlung sind. Auf Arbeitnehmerseite berücksichtigen die Gerichte immer besonders, wie lange ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Je länger die Beschäftigungsdauer ― und damit auch je älter der Betroffene ― umso mehr Rücksicht wird vom Arbeitgeber verlangt. Wichtig ist auch, ob ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt wurde.
Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, muss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat (bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung) die Möglichkeiten klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Hält sich der Arbeitgeber daran nicht, so ist die Kündigung zwar nicht direkt unwirksam, es findet aber Berücksichtigung bei der Abwägung der Interessen.
Info: IG Metall-Mitglieder werden vor den Arbeits- und Sozialgerichten bei Bedarf kostenlos von Juristinnen und Juristen der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Erste Anlaufstelle bei Problemen ist die IG Metall vor Ort. Weitere Informationen dazu hier.
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