Nicht jeder Fall wird derart spektakuläre Aufmerksamkeit aufwirbeln wie die Affäre um den US-Geheimdienstler Edward Snowden. Und nicht immer müssen Whistleblower damit rechnen, gerichtlich verfolgt zu werden. Trotzdem kann es für Beschäftigte Folgen haben, wenn sie unternehmensinterne Probleme öffentlich machen.
Das deutsche Recht geht bei einem Vertragsverhältnis davon aus, dass jeder die Interessen und Rechte des anderen respektieren und Rücksicht auf sie nehmen muss. Das bedeutet, Arbeitnehmer dürfen keine Betriebsgeheimnisse ausplaudern und sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Im Gegenzug muss sich auch die Arbeitgeberseite an die geltenden Gesetze und die Schutzvorschriften für Arbeitnehmer halten. In der Praxis kommt es trotzdem immer wieder vor, dass Mitarbeiter Missstände bei ihrem Vorgesetzten reklamieren, die dann aber trotzdem ignoriert werden. Das bedeutet aber nicht, dass Arbeitnehmer grundsätzlich darüber schweigen müssen.
Unter Whistleblowing versteht man, wenn in einem Unternehmen oder einer Behörde Missstände aufgedeckt und in die Öffentlichkeit getragen werden. Es wird unterschieden zwischen externen und internen Whistleblowing. Intern bedeutet, wenn ein Arbeitnehmer den Betriebsrat und die Vorgesetzten auf Probleme hinweist und darauf vertraut, dass diese die Mängel beseitigen. Bei externem Whistleblowing wendet sich der Beschäftigte an die Medien oder direkt an die Staatsanwaltschaft.
Niemand sollte um des „lieben Friedens willen“ schweigen, wenn er Probleme im Betrieb feststellt. Doch die Rechtsexperten der IG Metall empfehlen, diese Missstände zuerst innerbetrieblich anzusprechen. Dabei sollten sie sich an ihren Betriebsrat wenden. Whistleblower haben hierzulande einen schweren Stand. Nicht selten gelten sie als Nestbeschmutzer und müssen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn sie sofort die Öffentlichkeit informieren.
Arbeitgeber pochen gerne darauf, dass die Beschäftigten sich der Firma gegenüber loyal verhalten sollen. Doch wie weit geht Loyalität? Wenn Arbeitsbedingungen gesundheitsgefährdend sind, gegen Gesetze und Verordnungen verstoßen und trotz der Hinweise durch die Belegschaft nicht abgestellt werden, hört nach Meinung der IG Metall-Rechtsexperten die Loyalität auf.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat 2011 ein Urteil gefällt, das die Rechte von Whistleblowern stärkt. Einer Altenpflegerin war fristlos gekündigt worden, als sie die Missstände im Pflegheim öffentlich gemacht hatte. Damals entschied der EGMR, dass die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers wichtiger als die Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber sei. Zumal die Altenpflegerin zuerst versucht hatte, die Probleme innerbetrieblich zu lösen, indem sie den Arbeitgeber auf die Mängel hinwies.
Die Schweigepflicht kann enden, wenn sich der Arbeitgeber weigert, die Mängel zu beheben. Das gilt besonders dann, wenn offensichtliche Rechtsverstöße oder gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen beseitigt werden sollen. Trotzdem ist die Lage schwierig, denn der Arbeitnehmer trägt die Beweislast und es gibt bislang in Deutschland kein Gesetz, das die Rechte von Whistleblowern schützt.
Bevor ein Arbeitnehmer sich mit innerbetrieblichen Problemen an die zuständigen Behörden, wie beispielsweise das Finanzamt, Arbeits- und Gesundheitsbehörden oder die Staatsanwaltschaft wendet, sollte er sich unbedingt von seiner IG Metall-Geschäftsstelle beraten lassen.